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Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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bestimmt als Ray-Bans verkauft.«
    Er setzte die Brille wieder auf.
    »Genug Blickkontakt. Genau nach dem Leitfaden für Polizisten, Teil zwei, Kapitel ›Befragung eines Spitzels‹: Bauen Sie durch kleine Gesten ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Gesprächspartner auf. Wenn ich’s richtig anstelle, wirst du zur Plaudertasche, Kärppä, zum Plappermäulchen. Oder zur Maultasche. Scheiße, da hab ich schon wieder einen Witz vergeudet, mit den regionalen Spezialitäten kennst du dich ja immer noch nicht aus«, redete Korhonen sich in Fahrt.
    »Schönes Wetter heute«, antwortete ich. »Hast du mir irgendwas halbwegs Vernünftiges zu sagen? Wenn ich hier rumstehe, geht die ganze schöne Wärme verloren.«
    »Wärme ist wichtig, in zwischenmenschlichen Beziehungen und erst recht für die Muskeln«, alberte Korhonen unbeirrt weiter. »Ich war früher selbst ein ziemliches As im Sport. Die hundert Meter bin ich unter elf Sekunden gelaufen, gestoppt mit Omas frisch aufgezogener Junghans. Der Weitsprung ging in die Binsen, weil ich eine so gewaltige Sprungkraft hatte, dass die Planke an meinen Spikes hängen blieb. Na, immerhin bin ich fast sechs Meter weit gehüpft, obwohl ich ein StückKantholz an der Sohle hatte. Da gab es endlich mal einen deutlichen Abdruck im Sand. Und den Heuspeer hab ich bis in die Mitte des Feldes geworfen, zwischen Klee und Timotheegras, dass es nur so rauschte.« »Bei dir rauscht es höchstens, wenn du pinkelst.«
    »Autsch, das tut weh! Mir so eine Retourkutsche zu verpassen!« Korhonen wand sich vor Schmerzen, presste die Hand aufs Herz. »Du darfst mich nicht so aufstacheln, mir gehen sowieso schon ständig neue Witze durch den Kopf. In Bars ist so was übrigens von Vorteil, witzigen Männern liegen die Frauen zu Füßen.«
    »Na schön, dann stenografiere ich mit.«
    »Sei nicht so ein Miesepeter, Viktor. El Bimbo ist nur ein Mann. Um die Wahrheit zu sagen, als Kind habe ich wirklich Sport getrieben. In unserem Kaff gab es ja keinen anderen Zeitvertreib. Im Radio lief einmal in der Woche Pop gestern und heute, ältere und neuere rhythmische Musik mit Holle Holopainen. Jeden Mittwochabend haben wir in der Bibliothek eine Fuhre Bücher ausgeliehen, im Prosabereich waren wir echte Heavy User. Ansonsten gab es nur Arbeit und Sport. Einmal hatten wir in Tuusniemi Vereinsmeisterschaften, es tut mir heute noch weh, wenn ich daran denke. Mein Vater hat erst fürchterlich gebrüllt, aber dann durfte ich doch teilnehmen. Ich habe beim Hochsprung eins fünfundsiebzig geschafft, mit dem Wälzer, aber dann kam, verdammt noch mal, der Leivonen, Arztsohn, der ging woanders zur Schule und hatte den Flop gelernt. Der Aufsprunghügel war mit Schaumstoff aufgefüllt, und Leivonen hat beim zweiten Anlauf eins achtzig übersprungen. Ich hatte zu Hause auf Sägemehl trainiert und im Winter auf Stroh. Völlig undenkbar, mit dem Kopf voran zu landen. Einen Silberlöffel habe ich gekriegt, das war der zweite Preis. MeinAlter hat den angeguckt und mich ausgelacht: ›Bloß Zweiter, nachdem du das ganze Jahr trainiert hast.‹«
    »Du hattest eine harte Kindheit, ja, ja«, sagte ich vielleicht eine Spur zu unfreundlich. »Die Sauna wartet auf mich. Also, was willst du von mir?«
    Durch das offene Autofenster klang das Zeitzeichen aus dem Radio. Korhonen war entzückt.
    »Weißt du, wie eine Zenith-Uhr ist? Exakt ist die, genau wie ich. Jetzt fängt meine Schicht an«, witzelte er, setzte dann eine ernste Miene auf. »Du solltest mir dankbar sein, statt zu greinen, weil dir der Schweiß trocknet. Ich bin gekommen, um dich zu warnen, mein lieber Freund. Wieder einmal.«
    Korhonen machte eine Pause, sprach dann mit tieferer Stimme weiter.
    »Jemand von der Sicherheitspolizei hat mich angesprochen. Er sagt, du feierst zu häufig Verbrüderung mit einem Burschen von der russischen Botschaft. Malkin, Referat Wissenschaft und Kultur. Angeblich. Was zum Teufel treibst du, Viktor?«
    »Ich organisiere ein Balalaika-Konzert«, entschlüpfte mir, obwohl ich sah, dass Korhonen ungewöhnlich ernst war.
    »Ach, was sind wir schlau … Denk doch mal nach: Ich kann dir nützlich sein. Und du mir, klar, wir haben eine Art Symbiose. Aber ich kann dir nicht helfen, wenn du mit irgendwelchen Spionen herummauschelst.«
    Ich stand ganz still und konzentrierte mich darauf, locker zu bleiben und nachzudenken, in aller Ruhe, obwohl Korhonen ungeduldig wartete. Er würde mir tatsächlich helfen können, aber ich wollte selbst entscheiden,

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