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Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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ab.
     
    »Der Onkel war ein Russe«, sagte Serjoscha mit heller Stimme. Er war leise aus dem Haus gekommen.
    »Stimmt. Woher weißt du das?«, fragte ich und überlegte, was der Junge gehört haben mochte.
    »Solche habe ich schon gesehen«, erklärte Serjoscha in wissendem Ton. »Vater sagt immer, Herren sind Herren, die Troika fährt, und der Bauer kriegt den Dreck ins Gesicht.«
    Sergej vergrub die Hände in den Taschen und trat ein Loch in den Rasen. Ich brachte es nicht über mich, ihn zurechtzuweisen.
    »Hast du etwas … von meinem Vater gehört?«, fragte der Junge wie nebenbei.
    »Nein. Aber ich versuche ihn zu finden, ganz bestimmt.«
    Ich überlegte, ob ich Sergej den Schopf streichen, ihm auf die Schultern klopfen oder ihn in die Arme nehmen sollte.
    »Wollen wir Fußball spielen? Wir könnten beide Torwart sein«, rettete er mich aus meinem Dilemma.

21
    Auf dem alten Ackerland am Flussufer im Stadtteil Tammisto in Vantaa wurden dutzende von langen, niedrigen Etagenhäusern gebaut. Ich hatte gehofft, bei diesem Projekt Aufträge zu bekommen, aber entweder hatte Jaatinen, mein ehemaliger Geschäftsführer, die Angebote falsch berechnet, oder man war einfach nicht bereit, meiner Firma größere Arbeiten zu übertragen.
    In der Hitze waren das Gras und sogar die Weidenbüsche an der Uferböschung vertrocknet. Das Gebiet nördlich des Flusses kannte ich eigentlich nur von Katasterkarten und aus den Bauplanzeichnungen der Angebote. Am Südufer, auf Helsinkier Gebiet, war ich umso öfter unterwegs gewesen, auf den Joggingpfaden und im Winter auf den Loipen, die man, wenn genug Schnee lag, zu Rundstrecken von an die zwanzig Kilometer kombinieren konnte.
    Ich vermutete, dass bald auch einer der Stadtväter in Helsinki auf die Idee kommen würde, die Äcker am Fluss zu bebauen. Er würde argumentieren, dass Mangel an Bauland herrschte, du liebe Güte, dieses Areal muss genutzt werden, Verkehrsverbindungen und Dienstleistungen gleich nebenan. Natürlich müssen wir Grünzonen erhalten und urbane Parks anlegen, aber hallo, in einer Stadt gibt es nun einmal Häuser und Siedlungen, wer in der Einöde leben will, soll gefälligst nach Nurmijärvi ziehen.
    Mir wäre es nur recht, wenn die Gegend bebaut würde. Ich würde mit Freuden im Wohnzimmer in die Pedale treten und in Hakunila Ski laufen, wenn der Helsinkier Wohnungsbau Aufträge für den VK -Konzern abwarf. Und wieder spürte ich eine leise Verbitterung, als ich das Gewimmel auf der Baustelle beobachtete, zu der meine Leute keinen Zutritt hatten. Ja, weißt du, das ist eine patriotische Angelegenheit, hatte ein Bauleiter mir zugeflüstert und mich schwören lassen, die Information vertraulich zu behandeln. Deshalb müsse man darauf achten, dass die großen Aufträge an finnische Unternehmen gingen. Ich wies ihn darauf hin, dass auf den Baugerüsten ziemlich viele Esten und Russen herumkletterten, und er flüsterte, na also, jetzt kapierst du es, Viktor. Du besorgst billige Leute für die Arbeit, dann reicht das Geld für alle. Der Lohn richtet sich nicht unbedingt nach der geleisteten Arbeit, aber alle sind zufrieden, und das große Geld bleibt in Finnland.
    Ich hatte unverbindlich genickt und mich zurückgezogen. Dabei hätte ich dem Mann zu gern erklärt, dass ich, verdammt noch mal, schon seit Jahren finnischer Staatsbürger war und dass auch meine Arbeiter in Finnland Steuern zahlten und damit rechneten, im Alter hier eine Rente zu beziehen. Ich versuchte, mein Unternehmen legal zu führen, zumindest annähernd.
    Doch jetzt war ich nicht hier, um nach Arbeit zu fragen oder über schlechte Behandlung zu meckern, obwohl die Männer, auf die ich wartete, daran gewöhnt waren, Beschwerden anzuhören und die Behebung von Missständen zu fordern. Ich sah auf die Uhr und fragte mich, wo die Funktionäre Kääriäinen und Minkinen von der Baugewerkschaft blieben.
    Ein kleiner blauer Pkw kurvte auf den Parkplatz. Das Logo der Gewerkschaft an der Tür des Wagens bestand aus Dreiecken und Parallelogrammen, die ein Haus bildeten. Ich überlegte,dass an der Geometrie oder Perspektive der Figur irgendetwas nicht stimmte. Sie wirkte irreal wie die Beispielzeichnungen im Lehrbuch für Gestaltpsychologie.
    Ich winkte. Kääriäinen und Minkinen nickten nur kurz, bevor sie die roten Jacken und Schirmmützen der Gewerkschaft anzogen. Ich kannte beide, hatte aber kaum Kontakt mit ihnen, nicht einmal mit Minkinen, der immerhin Spätaussiedler war.
    Ich ging auf die beiden

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