Entfernte Verwandte: Kriminalroman
beinahe.
Und dann knallte es. Pawel lag rücklings zwischen Weidenröschen und der Rücken tat ihm weh und im Kopf rauschte es. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippe und erkannte an dem salzigen Geschmack, dass die Feuchtigkeit auf seinem Gesicht Blut war. Seine Ohren waren wie verstopft, es war, als ob er einen Stummfilm betrachtete, allerdings in Farbe.
Die Baracke, oder was davon noch übrig war, stand in Flammen. Pawel reimte sich zusammen, dass ein Feuer ausgebrochen und anschließend irgendetwas explodiert war. Vielleicht haben Sprengkapseln im Schuppen gelegen oder Dynamit, Anit oder was es sonst noch für Sprengstoffe gibt, überlegte er und bestätigte sich selbst, dass er die Kochplatten der Chinesen nicht angerührt hatte. Sogar das Teewasser habe ich im Freien über offenem Feuer heiß gemacht, und dabei ist kein einziger Funke geflogen, beteuerte Pawel halblaut, denn er war daran gewöhnt, dass man ihm die Schuld gab, auch wenn andere einen Fehler machten.
Der Schmerz biss ihn heftig in den Rücken, und auch Hals und Brust taten weh. Pawel rollte sich auf die Seite und versuchte sich von der Hitze des Feuers fortzuschleppen. Er zog sich mit Ellbogen und Händen vorwärts, ohne zu merken, dass sich seine Fingernägel von den Kuppen lösten.
Schließlich ließ er sich in den flachen Graben fallen. Das Wasser war verdunstet, doch selbst die geringe Feuchtigkeit auf dem Grund streichelte ihn kühlend. Pawel schloss die Augen und dachte wieder an sein Zuhause, an Xenja und Serjoscha.
27
Kluuvi, Helsinki
Ich habe eine Aversion gegen Bankbesuche. Die Angestellten fragen zu viel, bemühen sich freundlich, aber zielstrebig, alles über meine finanziellen Angelegenheiten in Erfahrung zu bringen. Ich war keiner von denen, die Bonuspunkte oder Stammkundenrabatte sammelten. Ich wollte nicht, dass irgendwer ein Register darüber führte, bei welcher Gesellschaft ich versichert war, wo ich tankte oder wie viel ich für Kleidung ausgab. Vielleicht litt ich unter Verfolgungswahn, jedenfalls war es sinnlos, mir Bonuskarten aufschwatzen zu wollen. Zudem lagen viele meiner Spareinlagen, Investitionen und Schulden außerhalb der etablierten Finanzinstitute. Für diese Gelder gab es nicht unbedingt Belege oder Sparbücher, doch die Zinsen wurden auf den Cent genau berechnet und die Fälligkeitstage eingehalten.
Allerdings war ich gezwungen, einen Teil meiner Rechnungen und Zahlungen über die Bank laufen zu lassen, und beim gegenwärtigen Zinssatz hatte ich es sogar gewagt, einen nicht unbeträchtlichen Firmenkredit aufzunehmen. Und den musste ich nun aufstocken, um die Bauzeichnungen für das Grundstück in Tapanila in zwei verkäufliche Doppelhäuser verwandeln zu können.
Für Firmenkunden waren mit dunklem Plexiglas ein paar separate Logen abgetrennt worden. Mein Verhandlungspartner war ein junger Mann. Er trug einen dunklen Anzug und eintadellos gebügeltes Hemd, dessen Kragen die Partie zwischen Kinn und Adamsapfel einzuschnüren schien. Seine schräg gestreifte Krawatte hatte einen breiten Knoten.
»So sieht also unsere Kalkulation aus. Und das Geld wäre dann Ende der Woche verfügbar, wenn die Kreditsicherung geregelt ist. Das lässt sich mit einer Hypothek auf Ihre Wohnimmobilie erledigen, wir können den Inhaberschuldschein gleich hier ausstellen, dann haben Sie keine zusätzlichen Umstände damit«, salbaderte er.
»Mein Haus verpfände ich nicht«, sagte ich in einem Ton, der keinen Spielraum für Verhandlungen ließ. »Ich besorge Ihnen eine Pfandeinlage. Dreihunderttausend, die eine Hälfte für zwei Jahre, die andere für vier. Sie zahlen drei Komma fünf Prozent Zinsen.«
»Drei Komma zwei fünf«, feilschte der junge Mann und merkte im selben Moment, dass er seine Befugnisse überschritt. »Das muss ich zuerst mit meinem Vorgesetzten besprechen. Und ein so hoher Betrag muss der Finanzaufsicht gemeldet werden …« Er wurde rot und biss sich auf die Zunge, denn beinahe wäre ihm eine Bemerkung über Geldwäsche herausgerutscht.
»Natürlich. Das Geld wird von Partnern bereitgestellt, die in Finnland tätig sind … Ich komme übermorgen wieder«, erklärte ich und ließ meinem Gegenüber keine Möglichkeit zu Einwänden.
»Dann machen wir es so …«, murmelte der Angestellte.
Ich stand auf und lächelte zum Abschied.
An der Ecke Aleksanterinkatu standen Straßenmusikanten. Ich rechnete mir aus, dass meine Parkzeit noch reichte, warf einen Fünf-Euro-Schein und ein paar Münzen in den
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