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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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leisten, flüsterte eine Kinderstimme. Die Kinder drängten davon. Das Mädchen sah dem davonschwebenden Zirkuszelt nach. Nacht. Im Coffeeshop. Draußen die Lichter der Stadt. Die Bremslichter spiegelten sich als lange rote Spuren auf der Fensterscheibe. Die beiden Frauen, der Gute König und ET saßen aufgereiht am Tisch am Fenster. Wenigstens habe ET diesmal die Kassa nicht vergessen, sagte die dunkelhäutige Frau. Das immerhin würde immer besser, warf der Gute König ein. ET schaut verträumt hinaus. Das eine Kind. Das eine Kind. Das hätte vielleicht. Wenn sie einen Augenblick länger Zeit gehabt hätten. Die dunkelhäutige Frau legte ihr Dreieck auf den Tisch. Warum ihr Dreieck es nicht schaffen könne. Sie fände das widerlich. »Disgusting.« sagte sie. Der Gute König schaute in seine Tasse. Das funktioniere nach dem Race Discrimination Act aus dem Jahr 2003. Da sei nicht viel zu machen. Die 4 Personen tranken Kaffee. Sie schauten durch die Scheibe auf die Straße hinaus. Die Kamera glitt langsam zurück. Bis die 4 Personen weit weg an dieser Theke sitzend zu sehen waren. Sie sprachen miteinander. Leise. Freunde. Kollegen. Kolleginnen. Die Müdigkeit nach dem Auftritt. Eine Frau vorne lachte. Der Abspann lief über die Gruppe am Fenster zur Nacht hinaus. Der Film war zu Ende.

18
    Das Licht ging an. Neonröhren an der Decke. Die anderen Zuschauer redeten. Die Frau vorne lachte wieder. Selma fand sich auf dem Sessel kauern. Die Füße auf dem anderen Sessel aufgestellt. Sie war nach vorne geworfen gesessen. Das Genick hochgereckt. Nichts zu versäumen. Sie setzte sich auf. Streckte die Beine aus. Dehnte die Schultern. Sie hielt den Becher Wasser in der Hand, wie sie ihn mitgenommen hatte. Sie trank. Trank den Becher in einem Zug aus. Sie schüttelte den Kopf. Was hatte sie da gesehen. Sie musste lächeln. In jedem Fall war es sehr viel Arbeit gewesen, diesen Film zu machen. Digitalisierung war auf Digitalisierung zu stapeln gewesen. Allein um die Dreiecke auf den Stoffen auftauchen zu lassen. Und sehr britisch. Sie hatte jeden Augenblick darauf gewartet, dass John Cleese auftauchte. Mit einem Zitat aus der Szene in »Meaning of Life« mit dem alles erbrechenden Gast. Die Kinder fielen ihr ein. Die orgasmierenden Kinder. Die Erinnerung daran ein unangenehmes Gefühl. Ein ungenaues Unbehagen. Was war das mit den Briten und der Sexualität der Kinder. Die Gruppe vorne. Alle standen auf und wanderten hinaus. Selma schloss sich an. Sie schulterte ihre Tasche. Die Papiere. Ihre Unterlagen. Die konnte sie doch wirklich los werden. Eigentlich brauchte sie den Kram nicht mehr. Das brauchte sie nicht mehr herumtragen. Und nach diesem Film. Die Wiener Festspiele sahen recht spießig aus. Nach so einem. Sie suchte nach einer Bezeichnung. Was war das nun gewesen. Ein Film. Eine Erzählung. Eine Unterrichtsstunde. Ein Pamphlet. Eine Predigt. Ein Werk. Eine Revue. Ein Roman. Nach der Vorführung eines solchen. Werks. Da war das alles da. Da war das alles da in Wien. Da war das staubig. Aber nicht so lustig staubig wie für die beiden kleinen Mädchen. Sie mochte es auch, dass es keinen Schluss gegeben hatte. Die Szene im nächtlichen Coffeeshop. Die hätte noch Stunden weitergehen können. Das Gespräch nach der Arbeit. Die Vergewisserung der Minikomplizenschaften. Die wenigen Möglichkeiten, sich eine Sicherheit zu verschaffen. Das bonding mit den Kollegen und Kolleginnen. Das Besprechen, was die anderen nun sagten. Wie das angekommen. Angenommen. Aufgenommen. Und so etwas. So etwas hatte sie nun gefunden. Und niemanden interessierte das jetzt. Dass sie das gefunden hatte. Auf das hatte man nun verzichtet. Mit ihrem Abgang. Dafür wurde sie nicht mehr gebraucht. Dafür war sie immer gut gewesen. So etwas zu finden. Das war ihre Spezialität gewesen. Scouting. Das hatte sie beherrscht. Das war ihre Meisterschaft gewesen. Aber nun. Sie war keine Instanz mehr. Früher. Vor zwei Monaten noch. Da wäre sie nach vorne gegangen. Da hätte sie die jungen Frauen gefragt, ob sie die Regisseurin kannten. Oder ob es eine von ihnen wäre. Ob es die gewesen war, die gelacht hatte. Es hatte so geklungen. Das war so ein Lachen über etwas Gelungenes gewesen. Und dann wären sie essen gegangen und hätten darüber geredet, ob die junge Frau etwas im Mozart-Jahr machen hätte wollen. Ein Projekt. Noch schnell ein interessantes Projekt. Weil es keine interessanten Projekte gegeben hatte. Die Ratlosigkeit gegenüber Mozart. Grenzenlos. Es ja

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