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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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über den Gedanken. Den Schweiß zu stoppen. Aber in Italien alle gemacht hatten. Damals. Routine. Wie Augenbrauen zupfen. Oder Lippenstift. Und diese Sorge wenigstens nicht. Sie fuhr. Ab der Abfahrt Simmering fuhr sie auf der linken Spur. 110. Zuerst. Nach dem Aufheben der Geschwindigkeitsbeschränkung 150. Wenn sie jetzt auch noch den Führerschein verlor. Das würde sie nicht aushalten können. Sie wollte das nicht riskieren. Sie wollte nicht riskieren herauszufinden, dass sie noch mehr aushalten konnte. Wenn sie musste. Sie fuhr die Raffinerie entlang. Am Tag die Tanks und Rohre und Rauchfänge schäbig. Rostig. Das Gras vertrocknet gelb. Die Straßen zwischen den Tanks brüchig. Der Geruch nach Benzin. Sie fuhr schneller. Diesen Geruch wieder aus dem Auto zu jagen. Vor der Abfahrt eine Kolonne von Lastwagen. Sie fuhr die Lastwagen entlang. Zwängte sich zwischen einen ungarischen Laster und einen Tankwagen. Der Tankwagen musste bremsen. Der Fahrer hupte. Gestikulierte. Sie schwang sich auf die Ausfahrt. Schnitt einen grünen Toyota. Bremste. Sie rollte mit den vorgeschriebenen 80 auf den Flughafen zu. Sie wurde von der Polizei durch die Straßenkontrolle durchgewinkt. Sie fuhr die Auffahrt zum Abflugterminal hinauf. Schlängelte sich zwischen den Taxis und Bussen und Abschied nehmenden Paaren und Gruppen durch. Die Kurven durch die neuen Baustellen fuhr sie schnell. Zügig. Sie überholte alle. Rechts. Links. Jeder von denen konnte sie den Parkplatz kosten. Sie fuhr zum Parkplatz C. Zog die Parkkarte. Kreiste auf dem Parkplatz. Suchte nach einem Parkplatz in der Nähe des Ausgangs. Es war aber alles voll. Auto neben Auto. Reihe um Reihe. Sie fand einen Parkplatz in der Nähe von 17C. Da musste sie wenigstens nur gerade auf den Ausgang zusteuern. Sie wendete. Fuhr nach hinten in die Parklücke. Sie hatte ihr Auto auch schon so eingezwängt hier gefunden, dass sie es kaum herausmanövrieren hatte können. Sie kurbelte das Fenster hinauf.

3
    Die Parkkarte. Sie steckte die Parkkarte in die Handtasche. In das Seitenfach. Zum Pass und zum Ticket. Sie sagte es sich vor. »Die Parkkarte ist in der Handtasche.« Im Seitenfach. Sie zerrte den Rucksack vom Beifahrersitz zu sich. Stieg aus. Sperrte das Auto ab. Hatte sie das Licht ausgeschaltet. Dieses Fahren mit Licht am Tag. Es hatte sie schon eine Batterie gekostet. Sie stand vor dem Auto. Nach vorne die Autos so dicht geparkt. Kein Weg zwischen den Autos durch. Die Einfassung der Scheinwerfer glänzte in der Sonne. Das Licht war abgedreht. Sie legte den Rucksack. Stellte die Tasche auf das Autodach. Sperrte auf. Kontrollierte noch einmal den Schalter für die Scheinwerfer. Der Schalter nach links gedreht. Alles in Ordnung. Sie machte alles richtig. Aber sie glaubte es sich nicht. Und die Batterie. Da hatte sie das Licht in der Garage in Salzburg nicht ausgeschaltet. In der Garage im Untersberg. Im hellen Licht da. Taghell ausgeleuchtet. Sie war davongegangen und einen Tag später zurückgekommen. Sie hatte dann noch gedacht, die neue Batterie wäre eine Verschwendung. Für dieses alte Auto. Aber jetzt. Jetzt war ein neues Auto. Ein neuer Wagen. Das war ganz unvorstellbar. Das war vollkommen unmöglich. Das war vielleicht nie wieder möglich. Sie sperrte das Auto ab. Ging die parkenden Autos entlang. Sie folgte den Schildern »Überdachter Gehweg«. Ging zwischen Bauzäunen auf die Einfahrt zu. Ein Wind. Sie ging im Wind. Ließ die heiße Luft um sich streichen. Durch die Haare fahren. Die Kopfhaut trocknen. Sie sah sich auf dem Arbeitsamt sitzen. Die dicke Frau. Maglott hieß die. Oder so ähnlich. Die immer mit dem Bildschirm sprach. Sie sah einen an. Am Anfang. Im Lauf des Gesprächs rutschte ihr Blick immer häufiger dem Bildschirm zu. Bis sie dann gar nicht mehr versuchte, einen anzusehen. Oder ihren Blick vom Bildschirm. Loszureißen. Die würde ihr das dann erlauben müssen. Die würde das abzeichnen müssen. Dass ein Auto eine berechtigte Ausgabe wäre. Für sie. Die Vorstellung dieser Frau. Die einen nicht sehen wollte. Die niemanden sehen wollte. Sehen konnte. Die darüber entschied. Was sie. Wie sie. In der Hitze. Ein Schwindel. Ein leichter Schwindel. Im Kopf wirbelte alles. Leicht. Wehte im Kreis. Und versammelte alles im Hinterkopf. In der Rundung des Schädels. Hinten. Oben. Das Denken vorne dünn. Nebelig. Auseinander gezogen. Sie ging weiter. Sie setzte die Schritte. Schaute auf den Betonboden. Folgte den Zebrastreifen über die Straße. Sah nicht auf.

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