Entfernung.
Hörte ein Auto bremsen. Nicht stark. Sie ging über die Straße. Schaute nicht links oder rechts. Stelzte über die Straße. Hob die Beine. Beugte die Knie. Setzte die Füße auf. Im Kopf. Sie konnte wieder weiter sehen. Weiter nach vorne. Nicht nur den Boden. Unter sich. Sie musste nur schnell gehen. Der Blutdruck. Die Hitze. Sie war zu lange in der Hitze gesessen. Sie musste nur ein Wasser kaufen. Dann würde alles wieder in Ordnung kommen. Sie drückte auf den Knopf beim Lift zur Unterführung zu den Terminals. Wartete. Die Lifttüren glitten auf. Niemand im Lift. Sie war erleichtert. Sie trat in den Lift. Drückte auf den Knopf, nach unten zu kommen. Sie drückte mehrmals. Suchte nach einem Knopf, die Türen schließen zu können. Sie sah ein Paar mit riesigen Koffern auf den Lift zukommen. Der Mann lachte. Die Frau schüttelte den Kopf. Die beiden waren vergnügt. Sie zogen die Riesenkoffer hinter sich her. Unbeschwert. Der Mann nestelte Sonnenbrillen aus der Brusttasche von seinem Hemd. Urlauber. Aufbruch zu einer guten Zeit. Die Türen schlossen sich. Sie überlegte, ob sie den Fuß in die Lichtschranke halten sollte. Das Lichtsignal unterbrechen und die Tür für diese Leute offen halten. Sie konnte nicht. Sie konnte nicht mit diesen Menschen im Lift stehen. Und sich anhören. Anschauen. Fühlen, wie sich die beiden verstanden. Wie sie nebeneinander standen. Diese kleinen Bemerkungen machten. Nähe und Einverständnis. Selbstverständlichkeit. Sie könne sich selbst nicht garantieren, dieser Frau zu sagen. Dieser Frau zu erzählen. Erzählen zu müssen. Sie wäre genau so dagestanden. Genau so eine Reise war geplant gewesen. Für genau diese Zeit. Nach dem Ende der Festwochen. Urlaub. Erholung. Entspannung. Und vielleicht ein oder zwei Termine. Und vielleicht ein besonders spannendes Projekt entdecken. Etwas Unbekanntes. Wo immer diese Reise hingeführt hätte. Sie hatten über die Reiseziele geredet. Hatten sich nicht einigen können. Nicht so richtig. Aber auch kein Streit gewesen war. Und diese Frau. Sie hätte ihr das nicht geglaubt. Sie hätte es selbst niemandem geglaubt. Wenn ihr irgendjemand gesagt hätte, dass der Anton. Und das musste ja nun mindestens 11 Monate gegangen sein. Der kleine Moritz jetzt 2 Monate. Ein Doppelleben. Und der Anton es ihr ja auch nie gesagt hatte. Der Anton nie ein Geständnis. Es zugegeben. Das hatte die Ungarin erledigen müssen. Das hatte die Ungarin für ihn erledigen müssen. Das hatte die gerne gemacht. Der war dieses Verdrängen ein Vergnügen gewesen. Eine Erfüllung. Ihres Platzes. Sie ging um die Ecke in den langen Gang. Links Fensterluken. Unter der Decke. Ein Kunstwerk. Rechts. An der Stirnwand des Gangs. Etwas Weißes. Glattes. Ein dunkler Sockel. Hatte sie das aus dem Fundus. Aus den 60er Jahren. Sie ging an der Plastik vorbei. Ein weiß glänzender schräger Bogen auf einem dunkelholzigen Podest. Das war typisch für diesen Flughafen. Der war gebaut. Als würde eine wild gewordene Hausfrau aus den 70ern ihre Makrameearbeiten in Beton verwandeln. Und überall ein Häkeldeckchen und Topfpflanzen. War das der Grund für die vielen Russen in Wien. Dass sie am Flughafen in einem Stil empfangen wurden, der als nächster in der Reihe kam. Nach ihren 50er-Jahre-Prägungen. War das Fortschritt für sie. Vom gehäkelten Armschoner zum Makrameeblumenstockhängekörbchen. Sie ging. Sie schwang den Rucksack über die linke Schulter. Trug die Tasche in der Hand. Sie wanderte den langen Gang hinunter. Ein Getränkeautomat. Rechts. Der Boden schimmernd grau gesprenkelt. Glatt. Ihre Schuhe leise quietschende Geräusche auf diesem Boden. Sie ging. Sie wollte schnell gehen. In den Oberschenkeln ein Widerstand. Die Oberschenkel sich nur gleichmäßig nach vorne. Nicht anzutreiben waren. Sie wollte dieses Paar nicht hören. Sie wollte von diesen Menschen nicht eingeholt werden. Sie musste trotten. So vor sich hin. Nicht dieser eilige Schritt der welterfahrenen Reisenden. Dieses zielsichere rasche Gehen. Eine Person. Zu Hause auf allen Flughäfen dieser Welt. Sie ging. Niemand auf dem Gang. Die Laufbänder weit vorne. Schnurrten. Leer. Sie schleppte sich. Das Gefühl, durch etwas Schweres zu gehen. Durch Wasser bis zur Hüfte zu waten. Dieses Gefühl in den Oberschenkeln innen zu spüren. Sie stieg auf das Laufband. Hielt sich an. Von hinten war nichts zu hören. Sie drehte sich um. Hinter ihr war auch niemand. Sie war allein in diesem endlosen Gang. Unter der Erde. Sie hielt den
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