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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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erfüllte sie mit einer tiefen Befriedigung. Sie erinnerte sich an den Blick in den Spiegel. Vor dem Schlafengehen. Es war wie den Tag im Mund behalten. Nichts vom Tag hergeben. Nichts vom Tag wegputzen. Aber es war ungesund. Und am Morgen widerlich. Aber vielleicht ging es darum. Sie machte das ja erst seit der Krise. Seit sie wieder in der Lange Gasse. Vorher. Da war das passiert, weil sie nicht ins Badezimmer wollte. Weil sie nicht aus der Stimmung heraus hatte wollen. Aus dem Sich-Verstricken mit dem Anton. Da wäre Zähneputzen. Das wäre eine Unterbrechung gewesen. Eine Untreue. Der Erotik gegenüber. Da waren beide so eingeschlafen. In alle Gerüche von allen Säften gehüllt. Sie begann gleich bei der Erinnerung an den Badezimmerspiegel in der Maxingstraße zu weinen. Die Tränen rannen in den Zahnpastaschaum um die Lippen. Sie ließ sich weinen. Spuckte aus. Hielt die Zahnbürste unter den Wasserstrahl. Sie hatte das Wasser laufen lassen. Während des Zähneputzens. So war sie, dachte sie. Sie brachte es eben nicht weiter als zu so kindischen Gegenreaktionen. Die Zähne verfaulen lassen und die Umwelt ein bisschen schädigen. Das eine schadete ihr selber und das andere fiel niemandem auf. Tolle politische Maßnahmen waren das. Sie wusch ihr Gesicht. Sie drehte das warme Wasser ab und hielt ihr Gesicht in das kalte Wasser. Sie hatte sich selber satt. Sie hatte diese Grenze satt. Diese Grenze in ihr. Diese Barriere, die sie hinderte, einfach ihren Weg zu gehen. Ein Unglück. Na gut. Das passierte. Da fiel man hin. Da stand man wieder auf. Da ging man weiter. Warum blieb sie liegen. Es waren die anderen. Es waren andere, die ihr das alles angetan hatten. Sie war Gewalttätern und Verwaltungstätern ausgesetzt. Aber sie suchte die Schuld nur bei sich. Bezog alles auf sich. Sie hatte die Gewalten so gut internalisiert. Sie war innen ein einziges Schlachtfeld und es war Zeit, das alles nach außen zu kippen. Sie trocknete das Gesicht ab. Damit war Teil 2 der Morgenkämpfe abgeschlossen. Sie dachte, dass es kein Wunder war, dass sie lieber in diese Ohnmachten flüchtete. In diese Schlafohnmachten. Bis 2 am Nachmittag. Und diesen Selbstzerfleischungen entfloh. Sie drehte die Dusche auf. Ihr Leib. Ihre Haut klebrig. Sie roch wie feucht gewesene Wolle. Dumpf und abgestanden. Scharf nur unter den Achseln. Das war der beste Augenblick. Der beste Augenblick am ganzen Tag. Das heiße Wasser. Die Seife. Das Entledigen von diesen Gerüchen. Sie duschte am Abend nicht, damit sie am Morgen genug Geruch angesammelt hatte. Damit sich genug Geruch angesammelt hatte. Sie stellte sich unter den Wasserstrahl. Drehte das heiße Wasser stärker auf. Ließ das heiße Wasser über ihren Rücken rinnen. Hielt ihre Schultern unter den Strahl. Sie stand da. Lange. Ließ Wasser. Ließ den Urin die Schenkel hinunterrinnen. Stand mit gebeugtem Kopf unter dem prasselnden Wasser und ließ ihr Wasser mitfließen. Ihr Urin heißer als das Wasser aus dem Duschkopf. Ja, so bist du, sagte sie zu sich. Ein kleiner Badezimmerwiderständler. Ein Badezimmerrevolutionär. Dafür reicht es gerade. In die Duschwanne pinkeln. Oder war sie dann eine Badezimmerterroristin. Sie nahm sich vor, diese Frage beim ersten Kaffee zu lösen. Sie duschte noch lange. Hielt die Füße extra lange unter das Wasser. Sie trocknete sich ab. Ging ins Zimmer. Sie trank aus der Wasserflasche. Sie zog frische Unterwäsche an. Ein neues Top. Den Hosenanzug. Lippenstift gab es keinen mehr. Die Haare bürsten. Sie warf ihre Toilettenartikel in das Necessaire. Legte die Unterwäsche und den Pyjama zusammen. Stopfte alles in den Rucksack. Sie überlegte, ob sie alles im Rucksack verstauen sollte und die Tasche gleich stehen lassen. Die Tasche war teuer gewesen. Die Tasche war nicht kaputt. Sie hatte. Sie hielt die Tasche hoch. Die Tasche hatte an Charakter gewonnen. Und sie ließ sich einrollen. Die Tasche war weich gesprungen und ließ sich oben einrollen. Es ließ sich alles in den Rucksack stopfen. Das war praktisch. Praktischer als mit Tasche und Rucksack den ganzen Tag herumziehen. Und sie würde nicht in diesem Hotel fragen, ob sie ein Zimmer hätten. Ob doch ein Zimmer frei wäre. Sie würde sich treiben lassen. Vielleicht doch ins K + K George. Oder auf den Flughafen und dort übernachten. Aber jetzt einmal Kaffee. Sie steckte die Wasserflasche in die Außentasche des Rucksacks. Sie hatte das handy liegen lassen. Sie nahm die Tasche aus dem Rucksack. Sie brauchte ja ihre

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