Entfernung.
Kreditkarte noch. Sie steckte das handy ein. Zog die Bänder vom Rucksack zusammen. Machte eine Masche. Schulterte den Rucksack. Nahm die Tasche. Sie schaute noch einmal ins Badezimmer. Hinter die Badezimmertür. Sie hatte ihr schönstes Nachthemd hinter einer Badezimmertür vergessen. In einem Hilton in Tokyo. Einen Augenblick. Der dunkle Bildschirm. Sie hatte Lust den Fernsehapparat einzuschalten. Nachrichten. Noch schnell Nachrichten. Sich hinsetzen. Sie musste ohnehin den ganzen Tag herumgehen. Wenn sie nicht vor dem Tommi flüchten hätte müssen, dann hätte sie sich einen Kaffee geholt und sich vor den Fernsehapparat gesetzt. Aber dann hätte sie. Sie war sicher, dass sie dann sofort wieder eine Wiederholung von der Sendung mit der Braut ohne Beine zu sehen bekommen hätte. Sie legte die Fernbedienung auf den Apparat. Sie stieß die Tür auf. Bugsierte den Rucksack durch die Tür und ging. Der Lift fuhr gerade hinauf. Sie nahm die Stiegen. Ging die Stiegen hinunter. Die Halle belebt. Gäste gingen durch die Halle. Koffer und Taschen standen gestapelt neben der altrosafarbenen Sitzgarnitur neben der Tür. Selma wollte Kaffee. Es war gerade 8 Uhr vorbei. Sie konnte sich in Ruhe hinsetzen. Sie stieg hinunter. Nach dem letzten Stockwerk. Die letzten 3 Stiegenabsätze breitete sich der Geruch von gebratenem Speck aus. Sie stieg in den Geruch. Tauchte in den Geruch ein. Sie konnte von oben in den Frühstücksraum sehen. Helle Tische mit weißen Platzsets. Der Speckgeruch füllte die Lobby. Sie ging an die Rezeption. Fischte die Kreditkarte heraus. Hielt den Zimmerschlüssel bereit. Sie wolle zahlen. Ja. Eine Nacht. Der schlecht gelaunte Mann vom Vortag wieder da. Ob alles in Ordnung gewesen wäre, fragte der Mann. Er sah dem Kreditkartenlesegerät beim Ausdrucken der Rechnung zu. Selma antwortete nicht. Sie unterschrieb. Während der Unterschrift fiel ihr ein, dass die Karte beschädigt sein hätte können. Dass es eine Szene geben hätte können. Dass sie hier als Kreditkartenbetrügerin dastehen könnte. Sie wartete, bis der Mann die Hotelrechnung und den Kreditkartenbeleg zusammengeklammert hatte. Dann ging sie. Das war geklärt. Draußen holte sie tief Luft. Der Speckgeruch war süß gewesen. Süßes Schwein. Sie ging nach rechts. Sie war einmal im Germanistik-Institut der University of London gewesen. Auf Russell Square. Da war ein Park gewesen. Sie hatte da gelesen. Sie konnte sich da hinsetzen und Wasser trinken. Und auf dem Weg einen Kaffee mitnehmen. Die Luft im Freien. Es war frisch. Ein kühler Ton. Sie atmete tief. Ging schnell. Es wäre dumm gewesen, dem Tommi in die Arme zu laufen. Die Geschäfte. Die meisten waren noch geschlossen. Vor manchen Häusern war der Gehsteig mit Wasser abgespritzt worden. Kühle Feuchtigkeit stieg auf. Frische. Sie ging über die Straße. Schaute in das Viennese Café. Bog links ein. Bloomsbury Place. Bedford Street nach rechts. Hohe glänzend schwarz lackierte Gitterzäune. Schneeweiße Häuser dahinter. Die Eingänge von dorischen Säulen flankiert. Goldpolierte Beschläge an den Türen. An den Gittern. Weiß. Schwarz. Gold. Die Gitter eine Abgrenzung. Die Gitter eine Beschreibung des Abstands zu denen, die drinnen waren. Limousinen vor den Türen. Die Motoren laufen. Die Klimaanlagen in Arbeit. Ein Paar kam aus einer Tür in der Mitte. Selma ging auf sie zu. Der Mann im dunklen Anzug. Die Frau im weißen Kostüm mit schwarz gepunktetem großem Hut. Der Chauffeur und der Mann warteten, bis sie sich mit dem ausladenden Hut in den Wagen manövriert hatte. Dann ging der Mann rasch auf die andere Seite. Ließ sich vom uniformierten Chauffeur die Tür aufhalten. Verschwand im Wagen. Der Chauffeur stieg ein. Selma ging an der langen schwarzen Limousine vorbei. Durch die getönten Fensterscheiben sah sie den Umriss der Frau. Das weiße Kostüm. Die Frau saß nach vorne gewandt da. Ihr Gesicht unter dem Hut. Selma dachte an die Stelle bei Dickens. Da, wo der kleine Bub als Rauchfangkehrer im Zimmer des reichen kleinen Mädchens landet. Sie fühlte sich entfernt. Meilenweit entfernt von diesen Personen. Als wären die eine andere Spezies. Es kränkte sie nicht. Sie hätte nicht mit diesem Hut in dieser Limousine sitzen wollen. Höchstens zu Besuch hätte sie in einer solchen Welt sein wollen. Aber dann wäre die Frage gewesen, wie man reden hätte sollen. Sie konnte sich keine Kommunikation vorstellen. Keine. Sie ging weiter. Hier war der gesamte Gehsteig nass. Sauber. Die
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