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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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diffus edle Person. Die es besser wusste und die nur sinnlose Sachen gemacht hatte. Die sich neben einen Intendanten gesetzt hatte und ihm zugehört. Wenn er seine primitiven Ideen vorgetragen hatte. Dass die Kultur ein Träumen sei. Ein gesellschaftliches Traumerlebnis. Und dass man deshalb »Onkel Wanja« spielen musste. Als Traum. Damit das Publikum den Traum mitträumen konnte. Und sie war nicht aufgestanden und war gegangen. Sie war sitzen geblieben und hatte eine mehr geraucht. Und vielleicht war das alles nur ein Ergebnis des Entzugs. Vielleicht war ihr Körper im Begehren nach dem Nikotin erstarrt. Wollte nicht mehr weiter, weil sie von einem Augenblick auf den anderen nicht mehr geraucht hatte. Zu ihrer eigenen Verwunderung. Und sie hatte gedacht, das wäre wenigstens ein Hauch von Gegenwehr. Eine Zerstörung weniger. Eine Zerstörung nicht mehr. Aber wahrscheinlich war es dann doch nur der Vater gewesen. Weil der es in der Wohnung nicht haben konnte. Und sie nicht auf den Balkon geschickt werden hatte wollen. Der Vater es auch gerochen hätte, wenn sie nur in ihrem Zimmer. Und ja doch richtig war. Es war doch richtig, nicht mehr zu rauchen. Den Stress wenigstens so zu vermindern. Die Angegriffenheit wenigstens auf außen beschränken. Und so leicht gewesen war. Dasitzen und der Bandion beim Rauchen zuschauen. Der Hass gekreist. Der Hass auf diese Person in ihrer Wohnung. Auf den Anton. Auf den Intendanten. Auf das Büro. Auf die Post. Eine in sich reibende Anspannung war das gewesen. Eine reibend kreisende Anspannung, die überall da gewesen war, wo vorher die Lockerung. Da, wo es nachgelassen hatte, wenn sie den ersten Zug gemacht hatte. Und warum lief der Film nicht ab. Der Film vom Leben. Sollte jetzt nicht der Film vom Leben ablaufen. Wenigstens biografische Notizen. Aber es war auch kein Platz. Das Denken auf einen Punkt beschränkt und sich nach hinten bewegte. Schnell und gerade bewegte das Denken sich nach hinten. Hinter der Kehle gegen den Hinterkopf. In das Dunkel dort. Und keine Angst. Sie wunderte sich. Sie hatte sich immer gedacht, dass in solchen Augenblicken namenlose Angst. Es war nur Enttäuschung. Ein bisschen Traurigkeit. Sie hatte verloren. Sie war überwältigt. Und es war würdelos. Ihre Haltung war würdelos. Sie würde keine schöne Leiche sein. Eine alte Frau. Der Kopf. Vom Tod überrascht würde sie nicht schön daliegen. Das Gesicht nach oben. Das Gesicht von der Nase wegfallend glatt. Eine schöne Frau. Eine schöne Frau gewesen. Und wenigstens für den Finder eine Erinnerung. Für die Finderin. Eigentlich wollte sie von einer Frau gefunden werden. Es war ja nicht sicher, aber ein wenig mehr Behutsamkeit. Das hätte sie gehofft. Dass eine Frau ein bisschen behutsamer. Aber warum sollte die. Und warum dachte sie so sinnlose Gedanken. Warum dachte sie überhaupt.

12
    Es wurde besser. Sie hatte vor sich hingesehen. Sie hatte die Augen offen gehabt und nicht mehr nur ans Atmen-Können gedacht. Sie lag da. Sie hätte eine Decke über sich gebreitet haben wollen. Sie schloss die Augen. Wieder. Müde. Der Kopf müde. Der Hals. Das Genick. Schlaff. Sie versuchte sich umzudrehen. Sich auf die andere Seite zu legen. Und sie musste Acht geben. Wenn sie mit der Wange länger auf einer Falte im Polster zu liegen kam. Die Falte grub sich tief in ihre Haut ein und war da lange zu sehen. Und Hilfe. Brauchte sie Hilfe. Sie lag. Still. Schwer hingeworfen. Sie hätte Hilfe gebraucht. Wahrscheinlich. Wahrscheinlich hätte reden schon geholfen. Sagen, was sie fühlte. Was sie empfand. Es irgendjemandem sagen. Sich beschweren. Aber sie hätte nicht einmal jemanden anrufen können. Nicht mehr. Und dafür hatte sie immer schon nur die Theres gehabt. Solche Krisen. Die hatte sie mit der Theres besprochen. Die Theres. Sie sah die Fassade der Privatklinik vor sich. Sie fuhr dort vorbei. Wenn sie in die Gegend kam, fuhr sie dort vorbei. Dort mehr das Grab als am Weidlinger Friedhof. Für sie. Sie sah sie da sitzen. In diesem Haus. In der Klinik. Auf dem Bett. Sie sah sie da sitzen und wie sie sagte, dass sie jetzt endlich Zeit hätte. Dass sie sich jetzt endlich die Zeit nehmen würde. Für sich. Und sie wäre doch nie nach Zagreb gefahren, wenn sie gewusst hätte, wie schlecht es der Theres. Wie schlecht es um die Theres. Aber da hatte jedes Gefühl versagt. Nichts hatte ihr angekündigt, dass das Ende. Dann. Jetzt war das klar. Im Nachhinein setzte sich alles zu einem klaren Bild zusammen. Die

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