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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Augen geschlossen. Den Kopf gegen die Wand gepresst nach vorne abgeknickt. Das sah nach Schlafen aus. Nach einem kurzen Schläfchen. Eingenickt. Die Frau hatte sich auf das Bett gelegt und war eingeschlafen. Aber sie würde noch lange nicht gefunden werden. Der Vater erwartete keinen Anruf von ihr. Das hatte sie der Mutter abgewöhnt. Diese Erwartung. Und der Vater hatte sie nie gehabt. Spätestens in 2 Tagen. Sie würde ihm erst in 2 Tagen einfallen. Sonst wusste niemand etwas von dieser Reise. Denen im Büro hatte sie nichts gesagt. Extra nicht. Ein solches Projekt. Sie hatte genügend solcher Projekte selbst verhindert. Sie wusste selber, wie das ging. Nur dreimal abgesicherte Vereinbarungen hatten da überhaupt einen Sinn. Oder man nahm es den Leuten aus der Hand. Machte weiter, wo die hingekommen waren. Jonathan Gilchrist. Er würde einmal auf ihr handy anrufen. Wenn er die Nummer gespeichert hatte. Er würde ihre alte Nummer versuchen. Die Nummer von dem handy, das in der Donau lag. Das sie bei Greifenstein in der Donau versenkt hatte. Um sich von ihrem alten Leben zu trennen. Läutete so ein handy im Wasser. Könnte ein Donauweibchen abheben und dem Gilchrist etwas vorsingen. Sie hätte so etwas machen sollen. Sie hätte ihre Nummern mit Botschaften voll stopfen sollen. Mit Botschaften über ihre Zustände. Wie sich die erste Lähmung in Ironie verwandelt hatte. Da hatte sie noch geglaubt, alles wäre so, wie sie sich das vorstellte. Sie hatte geglaubt, sie müsste nur einfach neu anfangen. Sie hatte nicht mit der Welt gerechnet. Dass die einen wirklich los werden wollte. Dass Verschwendung selbstverständlich war. Dass es nicht darum ging, was sie leisten konnte, sondern was man sie leisten lassen wollte. Dass es darum ging, etwas Neues zu wollen. Etwas Neues haben zu wollen, das von jemandem Neuen kam. Und dass alle das richtig fanden. Dass niemand sagen würde, diese Person. Die ist doch voll leistungsfähig und erfolgreich. Die kann man doch nicht einfach aufs Abstellgleis. Das wäre doch eine Verschwendung. Da hatte sie noch gedacht, dass es um den Kostenfaktor ginge. Aber was interessierte das Festival die AMS-Kosten. Die Laune eines Machos in der Kunst, und die Gesellschaft musste dafür aufkommen. Das war nicht kostenorientiert. Nichts war wirklich kostenorientiert. Das waren immer nur so Argumente gewesen. Für die Pressekonferenzen. Man hatte es natürlich gewusst. Es gab keine Verbündete. Seit dem Staatssekretär in Salzburg. Wie der gefragt hatte, ob er die überflüssigen Angestellten der Salzburger Festspiele über den Untersberg hinunterstoßen sollte. Wie da sich niemand. Jedenfalls nicht in den Medien. Da hätte sie das begreifen können. Dass man in aller Wirklichkeit den Untersberg hinuntergestoßen werden konnte. Und dass das niemanden interessierte. Sie würde gefunden werden. Morgen. Wenn die Zimmer. Zu Mittag. Wenn die Putzbrigade Schluss machen wollte. Wenn die Putzbrigade Schluss machen musste, weil sie auf Stundenbasis bezahlt, keine Kosten mehr verursachen durfte. Wenn die Gäste aus dem Haus sein mussten, damit die Putzbrigade nicht eine Minute überziehen musste und die Kosten nicht überschritten werden würden. Sie würde abtransportiert werden. Rasch. Wegen der Kosten. Wegen der Kosten rundherum. Die Putzbrigade. Die Anrufe. Bei der Botschaft. »An Austrian subject. Would you please take over.« Sie würde bald wieder in Wien sein. Wegen der Kosten. Sicher machte jede Stunde im Leichenkühlschrank Kosten. Der Vater. Würde der das übernehmen. Musste der das übernehmen. Für den ging sich auch gerade alles nur so irgendwie aus. Der bekam die Rechnung für Nichtanpassung. Der bekam die Rechnung für Parteiunabhängigkeit in einem Ministerium, das nur über Proporz besetzt worden war. Da blieb man dann ein kleiner Amtsrat. Wenn man sich nicht anschloss. Und sie hatte sich angeschlossen. Sie bekam die Rechnung für ihren Anschluss. Der von den anderen aufgesagt worden war. Sie bekam die Rechnung für ihre törichte Vorstellung vom Leben. Von den Männern. Und weil sie sich zu fein gewesen war, sich auf so ein Frauenleben einzulassen. Und sie würde jetzt sterben und es fiel ihr nichts Gutes ein. Keine Erinnerung an etwas Gelungenes. Und es gab ja auch nichts. Sie hatte alles falsch gemacht. Sie war selber schuld. Sie konnte niemandem anderen die Schuld zuschieben. Sie hatte edel sein wollen. Das war es wohl. Sie hatte ein Bild von sich entworfen als einer edlen Person. Eine

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