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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Blutbefunde. Die Bluttransfusionen. Der Darmstillstand. Die Leberwerte. Das viele Schlafen. Die Sauerstoffflasche. Die Theres. Die war fröhlich gewesen. Die hatte gescherzt. Über die Abführmittel und die Einläufe. Und sie hatte ihr geglaubt. Sie hatte ja alles geglaubt. Blicklos. Offenkundig war sie blicklos durch die Welt getanzt. Und alle hatten ihr etwas vorgemacht. Die Theres. Der Anton. Im Büro. Alle hatten ihr überall etwas vormachen können. Alle hatten ihr etwas vorspielen können. Und was sagte das über sie. Und was war so interessant daran, sie in diesen Lügen einzulullen. Was war so interessant daran, ihr dann aber in einem brutalen Riss die Welt zu enthüllen. Die nächste Wirklichkeit. Und dann immer weiter. Und in eine unendliche Unwichtigkeit. Fallen lassen. Die hatten sie alle fallen gelassen. Sie versinken lassen. Und jetzt ja in einem Hotelbett in London verstarb. Verstorben. Aber nicht in der Lage war, sich Hilfe zu organisieren. Sich ein Überleben zu verschaffen. Sich retten zu lassen. Sich zu retten. Sie konnte sich nicht helfen lassen. Sie ließ sich nicht helfen. Und sie ließ die Hilfe an der Mühe scheitern, es sagen zu müssen. Auf Englisch. Die Hilfe auf Englisch erbitten zu müssen. »I think I have a heart attack.« Oder. »Sorry. I am dying and I would need help. Urgently perhaps.« Sie lag da. Sah auf das weiße Laken. Ein weicher Stoff. Porös. Locker gewebt und die Fäden vom Waschen und Trocknen zerschlagen. Das Weiß brüchig. Durchsichtig. Die Gummimatte darunter durchschimmerte. Die Wand. Ein glatter Anstrich. Sie musste aufstehen. Sie musste aus diesem Bett kommen. Wenn sie jetzt begann, sich vorzustellen, wer alles hier gelegen. Sie lag. Sie spürte sich liegen. Aufliegen. Die Beine seitlich aufeinander. Die Knie aneinander reibend. Das obere Knie auf das untere drückte. Fast ein Schmerz. Der rechte Arm ausgestreckt. Der Kopf auf dem Oberarm. Sie setzte sich auf. Sie stützte sich auf dem rechten Arm auf. Zog sich hoch. Es tat nichts mehr weh. Sie holte Luft. Vorsichtig. Die Rippenbögen ließen sich weit öffnen. Die Lungen voll anfüllen. Die Luft war schlecht. Sie wollte das Fenster offen. Geöffnet. Aber die heiße Luft draußen. Klimaanlagenluft aber immer dieses Abgestandene an sich hatte. Schon geatmet war. Die Luft aus der Klimaanlage. Sie saß. Seitlich auf den rechten Arm abgestützt. Die Luft aus der Klimaanlage. War das nicht ein Kreislauf. Wurde diese Luft nicht wieder abgesogen. In den Raum geblasen und wieder abgesogen. Und dazwischen durch Lungen. In Lungen eingeatmet und wieder ausgestoßen. Sie schob sich an den Bettrand. Ließ die Beine über den Bettrand gleiten. Drehte sich und kam auf dem Bettrand zu sitzen. Sie stellte die Beine fest auf. Der Spannteppich borstig gegen die Fußsohlen. Sie war sich schwer. Das Aufrichten. Das Durchstrecken des Rückens gegen ein Gewicht von hinten oben. Die Schultern. Sie setzte sich gerade auf. Dachte an das Genick. An die Schultern. An die Trapezmuskeln im Rücken. Sie dachte Entspannung. Sie schickte Entspannung in die Muskeln. Ließ das Wort Entspannung in die Schultern steigen. Die Muskeln seitlich am Hals hinauf. Die Elektroden beim Messen. Die biometrischen Daten hatten immer angezeigt, dass sie sich entspannen konnte. Dass sie sich vollkommen entspannen konnte. Dass sie ein Entspannungstalent war. Und dann ja wohl entspannt war. Wenn sie sich das Genick und die Schultern und den Rücken so dachte, wie bei den biometrischen Messungen, die Entspannung angezeigt hatten, dann war sie entspannt. Dann musste sie entspannt sein. Auch wenn sie sich nicht so gefühlt hatte. Wenn sie sich nicht so fühlte. Entspannung. Das Gerät hatte angezeigt. Vielleicht musste sie es den Geräten glauben. Vielleicht wusste sie so wenig über sich, dass die Geräte es besser wussten. Sie saß. Sie ließ die Augen offen. Hielt die Augen offen. Starrte auf den dunklen Bildschirm. Die Braut war mittlerweile zur Ehefrau gemacht worden. In dieser winzigen grauen Kirche. Und alle mussten nun an die Hochzeitsnacht denken. Wie das mit den Stümpfen aussah. Beim Vögeln. Der Mann in der Bikerkluft zwischen die Stümpfe gepresst. Wenn er ihr ins Gesicht sah. In ihre Augen. Oder seine Augen geschlossen. Ihre Männer hatten die Augen meistens geschlossen gehalten. Dabei. So einer, der sich das alles ansah. Währenddessen. Ihr war da keiner untergekommen. Aber es musste sie geben. Solche, die schauten. Die hatscherte Antschi. Die war

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