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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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mitzunehmen. Außerdem müsse sie das Motorola-handy V3i neben die Kreditkarte legen und alle Telefonnummern darauf vergessen. Und das sei ihre letzte Chance, im Guten aus der Sache herauszukommen. Er müsse das betonen. Sie sei sich ja offenkundig nicht im Klaren über ihre Situation. Und was sie essen wolle. Was sie bestellen sollten. Die blonde Frau hob den Kopf. Sie stand auf. Zuckte mit den Achseln und ging. Sie zwängte sich um den Tisch und ging an Selmas Tisch vorbei nach hinten. Zu den Toiletten. Selma nahm ihre Handtasche und stand auf. Gilchrist unterbrach. Er hatte über das Publikum geredet. Im Royal Court. Und dass das überaltert wäre. Mittlerweile. Dass man sich um jüngere Besucher bemühen müsste. Und dass keiner wüsste, wie man das anstellen sollte. Die jungen Autoren schrieben alle so konventionell, dass sie, die Alten, nicht wüssten, was man damit anfangen sollte. »Oscar Wilde.« sagte Selma. Drei Saisonen Oscar Wilde und dann wieder von vorne beginnen und er solle sie entschuldigen. Sie ging hinaus. An der Theke vorbei in einen schmalen Gang. Die Tür zur Damentoilette ganz hinten. Auf der Tür das kleine Mädchen angebracht, das auf dem Topf saß. In Messing. Dann war auf der Tür zur Herrentoilette der pissende kleine Bub. In Messing. Der Anblick des auf dem Topf zusammengesunkenen Mädchens. Der Messingabguss undeutlich und verzogen. Es machte sie müde. Die Schultern sackten ihr nach vorne. Sie stieß die Tür auf. Innen. Pflaumenblaue Kacheln bis zur Decke und eine Jugendstilgirlande in Augenhöhe rund um den Raum. Zwei Türen zu Toiletten. An der Wand links zwei Waschbecken. Rosarot. Zur Jugendstilgirlande passend. Rosarote Frotteehandtücher lagen gestapelt. In den Korb neben den Waschbecken waren die gebrauchten Tücher geworfen. Ein rosaroter Haufen. Sie hörte die blonde Frau in der rechten Toilette. Stoff rieb auf Stoff. Ein schleifendes Geräusch. Die Toilettenspülung. Geklapper. Ein Wetzen. Das schleifende Geräusch. Die Toilettenspülung. Stoff auf Stoff. Die Toilettenspülung. Dann der Riegel an der Toilettentür innen. Die blonde Frau kam heraus. Selma stand vor dem Spiegel und frisierte sich. Sie hatte Zeit gehabt, den Kamm ganz unten aus der Tasche herauszukramen. Zwischen den Papieren herauszufischen. Sie hatte überlegt, die Papiere gleich hier wegzuwerfen. Auf den Haufen der rosaroten Handtücher. Aber das war trotzig. Sinnlos. Und gerade jetzt. Es war ihr gleichgültig. Als hätte sie es ohnehin gewusst und sich nur selbst nicht erzählt. Jedenfalls nicht deutlich genug. Die blonde Frau sah Selma an. Was sie wolle, fragte sie. Auf Deutsch. Auf Wienerisch. Ob sie etwas von ihr wolle. Sie hätte sich doch gleich gedacht, dass das Komplikationen bedeutete. Wie sie sie da sitzen gesehen habe. »Aber Susanna.« sagte Selma. Und dass sie sich sehr verändert habe. Die Frau sah Selma an. Das sei ja typisch, sagte sie. Die Wiener. Immer glaubten sie, dass sie wüssten, wie die Welt so funktioniere. Und immer bereit, sich einzumischen. Und ob es dem Herrn Intendanten auch wirklich gut ginge. Ob sie noch so nett sorge für ihn. Sie sagte das ruhig und sarkastisch und wandte sich dem Spiegel zu. Das wäre doch alles nicht so wichtig. Ob sie in Schwierigkeiten wäre, fragte Selma. Sie habe nicht umhinkönnen. Sie sagte »umhin« und die blonde Frau begann zu lachen. Ob sie nicht merke, wie lächerlich sie sei. Und was sie da tue, mit dieser Schwuchtel. Mit der sie da sitze. Aber es wäre ihr persönliches Pech, dass ausgerechnet an diesem Abend eine von diesen Tussen aus Wien am Nebentisch zu sitzen kam. »Susanna.« sagte Selma. »Was ich da höre. Das klingt richtig unangenehm.« »Weil Sie nicht umhinkonnten.« Die Frau lachte. Sie legte den Kopf zurück und kicherte. Ihr Hals lang und glatt und der Kehlkopf ein winziges Zucken. Die Adern unter der hellen Haut bläulich rechts und links der Kehle. Die Haut weißcremig glatt. Sie war nicht geschminkt. Die Wangen ein rosiger Hauch. Die Wimpern und die Augenbrauen dunkelaschblond gefärbt. »Sie sind um mindestens 10 Kilo dünner.« sagte Selma. »Und um mindestens 30 Jahre jünger.« gab die Frau zur Antwort. Sie sprach weiter sarkastisch unbeteiligt. Schaute sich im Spiegel an. Musterte sich. Dann holte sie einen Flakon aus ihrer Tasche. Drehte sich vom Spiegel weg. Sprayte den Duft in die Luft und ging dann durch die Duftwolke. »Ich bin mit Leuten wie Ihnen fertig.« sagte sie zu Selma. Über die Schulter. »Das ist doch

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