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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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jetzt alles gleichgültig.« »Arbeiten Sie in London?« »Sieht das so aus.« fragte die Frau. Sie schaute verträumt vor sich hin. Dann lächelte sie. Überlegen. Mehr wissend als Selma. Sie habe ihren Platz in der ersten Reihe gesichert. Sie habe es hier nicht mehr nötig, durch die Betten von irgendwelchen verschnarchten Oldies zu turnen und dann nichts dafür zu bekommen. Das sei vorbei für sie. Und solche wie sie. Wie sie, die Dr. Brechtholds. Solche bräuchte sie schon gar nicht mehr. Das, was sie da gehört habe. Selma sprach eindringlich. Versuchte, die Entfernung zwischen ihnen beiden zu überwinden. Durchzukommen. Sie legte eine Hand auf den Arm der jüngeren Frau. Die schüttelte die Hand ab. Was sie da gehört habe, das hätte aber nicht nach Erfolg geklungen. Und sie wolle doch nur helfen. Die blonde Frau sah Selma ins Gesicht. Sie lachte auf. Bitter. Hatte sie das nicht schon einmal gehört von ihr, fragte sie Selma. Selma wurde unsicher. Was meinte sie. »You’re just another meddling bitch and jealous because you are not beautiful anymore. Like my mother.« sagte die andere Frau und zog sich vor dem Spiegel die Haare in die Stirn. Sie habe ihre eigenen Pläne. Sie wüsste schon, was sie täte, sagte sie und ging. Die Tür schloss sich langsam hinter der Frau. Es roch nach Zitronen und Sandelholz. Leicht. Frisch. Jung. Unkompliziert raffiniert. Teuer. Selma ging auf die Toilette. Sie sperrte sich ein. Was hatte sie gemeint. Susanna Ammannshausen. So hieß diese Person. Sie hatten sich alle über die vielen As gewundert. Dass am Ende von Susanne noch ein A gekommen war. Und kein E. Und was sich die Eltern gedacht hatten. Zu den zusammenstoßenden As zwischen Susanna und Ammannshausen. Und die vielen Doppelbuchstaben. Und der Intendant hatte sich interessiert. Für sie. Für eine seiner Schnitzler-Inszenierungen. Für ein Fräulein Helene oder eine Christine oder eine Gabriele. Da war sie die perfekte Besetzung gewesen. Mit ihrer durchsichtigen Schönheit. Die jetzt noch. Sie war atemberaubend schön. Wie sie vor dem Spiegel gelacht. Der Hals. Die Unschuld. Aber ganz knapp auch nicht mehr. Und sie hatte sicher gekokst. Auf dem Clo. Das Geklapper hatte sich zu deutlich nach dem Puderdosenspiegel und einem Silberröhrchen angehört. Sie war einmal bei einem Essen mitgewesen. Beim »Schnattl«. Oder so etwas. Oder war das beim »Eckl« gewesen. Oder in der Zeit, wie man ins »Do&Co« gegangen war. Noch in der Mahlerstraße. Und was hatte sie falsch gemacht. Schauspieler. Bei Schauspielern. Bei Schauspielerinnen. Da war nie etwas richtig zu machen. Und dazu war sie ja auch nicht da. Dazu war sie nicht da gewesen. Sie zog sich an. Sie stand an der Tür. Hielt die Klinke und den Riegel in der Hand. Was lief da. Und warum war sie der Frau nachgegangen. Aber sie wollte wissen, was da los war. Daran hatte auch die Ablehnung nichts geändert. Daran hatten auch die Beschimpfungen nichts geändert. Und wie ruhig sie geblieben war. Sie war erstaunt. Sie hatte wirklich nur reden wollen. Es war ihr ganz gleichgültig gewesen, wie diese junge Person sich ihr gegenüber benahm. Der Mann da. Der war gefährlich. Mit dem war nicht gut Kirschen essen. Sie entriegelte die Tür. Wusch sich die Hände. Sie frisierte sich noch einmal. Lippenstift. Gilchrist saß vor seinem Risotto. Er aß. Er habe begonnen. Er könne das dem Risotto nicht antun. Zu warten. Es stehen zu lassen und damit verderben. Sie entschuldige sich, sagte Selma. Was denn los wäre. Gilchrist beugte sich über seinen Teller ihr zu. Da nebenan. Da wäre sehr dicke Luft. Susanna Ammannshausen saß an ihrem Platz. Einen Teller mit Salat vor sich. Sie drehte ein Stück Brot mit der linken Hand. Stocherte mit der Gabel in den Blättern. Der Mann aß Penne. Auf der Speisekarte waren penne all’arrabbiata angeboten. Er aß. Genussvoll. Er sprach nichts. Die Frau sprach nichts. Er hatte ein Glas Rotwein vor sich. Die Frau eine große Flasche San Pellegrino. Sie nippte immer wieder an ihrem Glas. Selma dachte sich, sie sollte gehen. Susanna sollte gehen. Der Mann nahm nicht einmal Notiz von ihr. Die junge Frau saß neben dem Mann wie ein ganz kleines Kind, mit dem zur Strafe nicht geredet wurde. Selma beugte sich zu Gilchrist. Was er von dem Mann halte. Ob er diesen Mann einschätzen könnte. Nein, das wolle er gar nicht, sagte Gilchrist. Ihm genüge die Schwulenmafia und die Theatermafia. Er müsse sich nicht auch noch mit anderen Sorten von Mafiosi abgeben.

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