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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Mann saß. Fuhr weiter. Der stieg wahrscheinlich erst in Holland Park aus. Da, wo die Reichen wohnten. Da, wo das Geld alles bestimmte. Endgültig alles bestimmte. Da, wo das Geld Geschlecht und Rasse außer Kraft setzte. Mit viel Geld. Da konnte dieser Mann seine Hautfarbe überspielen. Sie stieg aus. Sie sah noch einmal auf den Mann zurück. Er sah nicht auf. Im Stehen konnte sie sehen, dass er die Börsenkurse studierte. Und dann waren ihre Gefühle doch richtig. Ein globalisierender Kapitalist. Und die Afrikaner in Nigeria, denen wieder ein Delta versaut wurde. Denen war es wahrscheinlich ziemlich gleichgültig, welche Hautfarbe die Aktionäre der Ölmultis hatten. Von der Seite stimmte dann alles wieder. Sie ging auf dem Bahnsteig. Folgte den Pfeilen zur Circle Line. Sie ging. Lange Gänge. Immer nur in einer Richtung zu begehen. Rolltreppen. Sie musste 5 Minuten auf den Zug nach Kensington High Street warten. Hier war ihr alles bekannter. Vom K + K George war sie immer in dieser Ecke unterwegs gewesen. Es schien ihr alles geläufig. Sie stand auf dem Bahnsteig. Sie verlor die Kontrolle. Verlor sie die Kontrolle. Sie fühlte sich. Sie war nicht. Sie fühlte sich gar nicht. Es war. Normal. Fühlte sie sich normal. Musste sie zu all dem Elend nun auch noch Abschied davon nehmen und normal werden. Der Zug kam. Sie stieg ein. Sie setzte sich nicht. Sie stand da und starrte durch das Fenster. Sie lehnte sich an den Haltegriff neben der Tür. Ließ sich vom Zug schütteln. Herumstoßen. Sie stand breitbeinig. Glich die Zugbewegungen aus. Die schwarzgraustaubigen Wände sausten draußen vorbei. Und plötzlich wusste sie, warum die Blumenstöcke alle auf dem Gang stehen hatten müssen. Warum die Mutter das Fenster auf dem Gang mit Blumen verstellt hatte. Warum die vielen Blumenständer und Blumentischchen notwendig gewesen waren. In allen Höhen und Größen. In der Wohnung hatte keine Pflanze gedeihen können. In der Wohnung war es zu dunkel gewesen. Selbst an den Fenstern zum Hof. Das Licht hatte für keine Pflanze gereicht. Der Schatten der Bäume zu dicht. Und warum fiel ihr das ein. Warum fiel ihr das jetzt ein. Sie stieg aus. Ging zum Ausgang. Ihr Ticket blieb im Automaten. Am Ende der Fahrt behielt der Automat das Ticket. Man konnte es nicht von der Steuer abschreiben. Die Transportkosten in London. Das hatte immer Probleme gegeben. Mit der Abrechnung. Auf Kensington High Street musste man nach links. Dann waren es nur wenige Schritte. Im Lokal. Zuerst war sie nicht ganz sicher, ob das das richtige Lokal war. Dann sah sie Jonathan Gilchrist. Er saß ganz hinten. Es war nur sein Kopf zu sehen. Eine hüfthohe Wand seinen Tisch vom nächsten trennte. Sie ging auf ihn zu. Warum war das so ein wichtiges Gefühl. Sie war sicher getragen von dem Wissen, warum die Mutter die Blumen alle außerhalb der Wohnung. Es war wichtig zu wissen, aber sie wusste nicht, was es bedeutete.

14
    Im Gehen. Durch das Lokal. Es war gleich zu sehen, dass nichts zu machen war. Sie sah an der Haltung von Jonathan Gilchrists Kopf und wie er die Schultern verdrehte, dass er ihr alles absagen würde. Sie konnte auch gleich umdrehen. Es war gar nicht notwendig, an den Tisch zu gehen. Sie sollte umdrehen und sich das Geld für dieses teure Essen sparen. Die Höflichkeiten aufgeben. In ihrer Lage. In ihrer Stimmung. Sie sollte es sich nicht antun. Womöglich wurde sie auch noch homophob. Womöglich machte sie eine Bemerkung. Kam in einen dieser Augenblicke. Behielt ihre Gefühle nicht bei sich. War nicht gezwungen ihre Gefühle bei sich zu behalten. Wie in der U-Bahn. Und sagte Gilchrist etwas. Sagte etwas über Gilchrist. Obwohl es ja oft so war, dass Leute die Vorurteile über sich besser verstanden als Verständnis. Sie durfte sich nicht gehen lassen. Sie musste irgendeine Haltung. Gilchrist hatte sie gesehen. Er hob die Hand. Winkte ihr, an den Tisch zu kommen. Wenn sie weiterleben wollte, dann musste sie ihre Haltung. Aber sie würde es ihm nicht leicht machen. Er sollte ihr das alles schön sagen. Ins Gesicht. Es sollte ihr die Gründe ganz genau auseinander setzen. Gilchrist war aufgestanden. Er hielt seine Serviette in der Hand. Stand an den Tisch gestützt. Küsste sie auf die Wange. Selma wollte die andere Wange küssen. Er hatte sich schon wieder hingesetzt. »Ah. You British. You kiss only once.« sagte sie. Das wäre doch das Problem, kicherte er. »This is exactly the problem with us. And I as an already capernoited daedalian

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