Entfesselt: House of Night 11 (German Edition)
zu großes Weichei war, um je eine vernünftige Hohepriesterin abzugeben?
»Zoey? Ist alles in Ordnung?«
Ich hatte Aurox gar nicht kommen hören, deshalb war es wie ein Schock, von den dunklen Sturmwolken in seine Mondstrahlaugen zu schauen. Ich blinzelte, schüttelte mich und versuchte, mich darauf zu besinnen, warum ich hier war, um wenigstens jetzt alles richtig zu machen.
»Ja, alles in Ordnung. Ich wollte nur mit dir reden. Ist das gerade okay für dich?«
»Natürlich.«
Er machte eine vorsichtige Handbewegung in Richtung des Platzes neben mir. Ich nickte. »Ja, setz dich, kein Problem.«
Er setzte sich. Ich zwang mich, nicht an meinem Nagellack herumzukratzen.
»Sieht nach Regen aus«, sagte ich. »Und ich glaube, gerade hab ich’s in der Ferne donnern hören.«
»Die Luft riecht nach Blitzen«, pflichtete er mir bei.
Ich entspannte mich ein bisschen. So was hätte Heath ganz bestimmt nie von sich gegeben. »Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Blitze irgendwie riechen könnten, aber stimmt wohl. Wo Donner ist, sind auch Blitze.«
»Was ist los, Zo?«
Ich sah ihm in die Augen. Oh ja, da drin war Heath, kein Zweifel. »Ich werde nicht noch mal Blut von dir trinken.«
»Aber du willst es.«
»Aurox, niemand kann immer alles tun, was er will.«
»Aber das ist doch nicht alles. Es ist nur ganz, ganz wenig von allem.«
»Wenn ich so richtig Blut von dir trinken würde, würden wir miteinander im Bett landen. Wahrscheinlich würden wir eine Prägung zueinander bekommen. Und das wäre weder für dich noch für mich oder Stark ganz, ganz wenig.«
»Also ist es Stark. Er ist der Grund, warum du nicht mit mir zusammen sein willst.«
»Nein. Ich bin der Grund. Ich kann nicht mit zwei Jungs gleichzeitig zusammen sein.«
»Und du wirst dich nicht für mich entscheiden, weil ich nicht Heath bin.«
»Ich werde mich nicht für dich entscheiden, weil ich mich Stark verpflichtet fühle«, sagte ich fest.
»Ja, weil ich niemals gut genug für dich sein kann. Aufgrund dessen, wie ich erschaffen wurde – und zu was ich werden kann.«
Ich legte meine Hand über seine. »Nein, Aurox. Das darfst du nicht denken. All das ist nicht deine Schuld, und wenn ich mit dir rede, denke ich auch überhaupt nicht daran.«
»Woran denkst du dann?«
So traurig ich war, ich lächelte und sagte ihm weiter die Wahrheit. »Ich denke daran, wie froh ich bin, dass du da bist. Ich glaube auch, Heath und du, ihr seid ein echt tolles Team.«
»Du weißt, dass wir dich lieben«, sagte er.
»Ich weiß«, sagte ich ganz leise und zog meine Hand weg. »Tut mir leid.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Ich fänd’s schön, wenn wir Freunde sein könnten.«
»Freunde.« Es klang leblos.
»Dann wird sich Stark dir gegenüber auch nicht mehr so unfair benehmen.«
»Dazu hat er nicht den kleinsten Grund, Zo.« Aurox beugte sich vor, küsste mich auf die Wange und sagte mit tiefer Niedergeschlagenheit in der Stimme: »Richtest du Kalona aus, dass ich wieder auf Patrouille bin?«
»Ja, klar …«, antwortete ich seinem Rücken. Er war schon auf halbem Wege zur Mauer.
Ich stand auf, tonnenschwer und sehr, sehr müde.
Na schön, ich hab ihm die Wahrheit gesagt
. Das war ja so was von ätzend. Dann versuchte ich, nur noch an Schlaf zu denken, weil ich es jetzt auf keinen Fall brauchen konnte, dass Stark mich hellwach empfing und wissen wollte, wo ich gewesen war und warum es mir so mies ging. Ich ging zurück zur Sporthalle, in den Gang, wo der Kellereingang lag. Kalona stand nicht davor. Ich seufzte und steckte rasch den Kopf in die Sporthalle, aber da war er auch nicht. Wahrscheinlich sah er gerade im Keller nach dem Rechten, dachte ich und tappte zurück in Richtung Kellertür.
»Ja, ich hab Zoey beobachtet, wie versprochen.«
Zuerst hielt ich nur an, weil ich überrascht war, meinen Namen zu hören. Die Stimme kam aus der halboffenen Tür zum Stall.
»Und? Meine Scheiße, muss ich dir alles aus der Nase ziehen?«
Da erkannte ich, wer da über mich redete. Ich schlich näher und lauschte ungläubig.
»Während der Trauerfeier spielten ihre Farben total verrückt. Aber ich glaube, ich weiß warum, und es hat nichts damit zu tun, dass sie ihre Wut oder ihre Kräfte nicht mehr unter Kontrolle hatte.«
»Shaylin, raus damit, mein Arsch fängt schon an, wehzutun.«
Eine lange Pause entstand. Ich hörte, wie Shaylin den Atem ausstieß, und dann wurde es in mir eiskalt, denn sie sagte: »Sie hat Aurox angesehen. Ganz oft. Und
Weitere Kostenlose Bücher