Entfesselt: House of Night 11 (German Edition)
lächelte. »Quatsch. Du bist gut mit dem Wahren Blick. Du hast gesehen, dass ich mich geändert habe. Du musst mehr Selbstvertrauen haben.«
»Nein. Ich muss lernen, wann ich meinen blöden Mund aufmachen und wann ich ihn halten muss.« Sie kramte in ihrer Tasche, fand ein zerknülltes Taschentuch und putzte sich die Nase.
»Nenn dich doch nicht blöd.«
»Wenn du vorher gewusst hättest, dass Thanatos Dallas den Kopf abschlagen lassen will, hättest du was zu ihr gesagt?«
Nicole verzog das Gesicht. »Das kannst du mich nicht fragen. Was Dallas angeht, bin ich nicht objektiv.«
»Liebst du ihn noch?«
Heftig schüttelte Nicole den Kopf. »Nein. Das ist der Punkt. Ich hab Dallas nie wirklich geliebt, und ich wusste, wie gefährlich er war. Also kann ich nicht objektiv an seinen Tod rangehen.«
Shaylin schluckte noch einen kleinen Schluchzer hinunter. Nicole legte den Arm um sie. »Wenn du dich wegen dem, was mit Dallas passiert ist, so fertigmachst – lass es. Es lohnt nicht.«
»Nicht nur. Wobei das auch schon schlimm war. Aber ich hab mit Aphrodite über die Farben von jemand anderem geredet. Und da hätte ich mich lieber raushalten sollen.«
»Aber Aphrodite ist doch auch Prophetin. Bisschen durchgeknallt und biestig, aber trotzdem. Für euch Prophetinnen müsste es doch okay sein, miteinander über eure Gaben zu reden.«
»Das dachte ich auch. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich wünschte, ich wüsste, wie ich mich richtig verhalten soll.«
»Ich glaube, es gibt ’ne Menge Situationen, in denen es gar kein genau richtiges Verhalten gibt.«
Shaylin sah zu ihr auf. »Du bist ziemlich klug.«
»Nö, ich hab nur ’ne Menge Mist gebaut.« Nicole lächelte sie an. »Aber jetzt gerade nicht. Jetzt hab ich dich dazu gebracht, mit dem Weinen aufzuhören.«
Shaylin lächelte vorsichtig. »Scheint so. Danke. Oh, übrigens, deine Farben sind inzwischen superschön.«
»Ha. Wenn du meine Farben schön findest, zeigt das doch, was für ’ne gute Prophetin du bist!«
Shaylin grinste sie an – da beugte sich die andere Jungvampyrin ganz langsam hinunter und küsste sie zart und sanft auf die Lippen. Als Shaylin die Augen aufriss und erstarrte, wich Nicole schnell zurück und nahm den Arm von ihrer Schulter. »Tut mir leid«, flüsterte sie. Selbst in dem lichtlosen Keller konnte Shaylin sehen, wie rot sie geworden war. »Keine Ahnung, was mit mir los ist. Ich – es tut mir echt leid«, wiederholte sie.
Shaylin konnte die Augen nicht von ihr wenden. Da war die weiche Schönheit ihrer Farben, der Nachklang der Wärme ihrer Lippen.
»Es muss dir nicht leidtun. Es war okay.« Sie schlang die Arme um Nicoles schlanke Taille, schmiegte den Kopf an ihre Schulter und fragte: »Bleibst du noch bei mir und hältst mich fest?«
Nicoles Arm legte sich wieder um ihre Schulter. »Wenn du willst, bleibe ich für immer bei dir, Shaylin.«
Zwanzig
Zehn Minuten zuvor
Kalona
K alona stand vor der Kellertür, wartete auf Aurox und dachte gerade, dass dieser, wenn Zoey bei ihm war, vermutlich länger brauchen würde, da verspürte er ein vertrautes heißes Kribbeln unter der Haut.
»Erebos …«, knurrte er.
»Haben Sie was gesagt?«
Kalonas Blick flitzte den Gang entlang. »Aphrodite. Was kann ich für dich tun?« Er verneigte sich weder, noch ballte er die Hand zur Faust. Gewiss, das Mädchen war eine Prophetin der Nyx, aber außerdem war sie der unerträglichste Mensch, dem er je begegnet war. Und Kalona war einer Menge Menschen begegnet.
»Ich muss mit Shaylin reden. Sie ist im Keller, oder?«
»Ja, wie alle roten Jungvampyre.«
»Außer den zweien, die Sie in die Wüste geschickt haben.«
»Soll das eine Kritik sein?«
»Nein, nur eine Tatsache. Ich geh jetzt Shaylin wecken. Wäre nett, wenn Sie uns ’ne Minute allein reden lassen würden.«
»Wie du wünschst, Prophetin. Ist dein Krieger in Rufweite, nur für den Fall, dass es unten Schwierigkeiten gibt?«
»Wegen ein paar roter Jungvamypre brauche ich Darius doch nicht. Ich habe das da.« Sie klopfte auf ihre Handtasche.
Fast musste er lachen. »Du glaubst, du kannst dich mit deiner Handtasche wehren?«
»Nein, ich glaube, ich kann mich hiermit wehren.« Sie ließ die Tasche aufschnappen. Kalona spähte hinein. Darin lag ein kleines schwarzes Röhrchen.
»Du willst jemandem dieses Parfümfläschchen an den Kopf werfen?«
»Oh bitte, kommen Sie mal im einundzwanzigsten Jahrhundert an. Das ist kein Parfüm, sondern Pfefferspray. Ich habe
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