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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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ich! Ich weiß nicht, wie ich das machen soll!«
      »Nastasja, du weißt, dass ich nicht immer so war. Ich musste lernen, mich zu verändern - das haben wir alle. Das musste jeder, der hier ist. Und es dauert manchmal sehr lange, bis man sich ändern kann. Manchmal Jahrzehnte oder ein Jahrhundert. Oder drei Jahrhunderte.« Ich überlegte, ob sie wohl von Reyn sprach. »Wir alle haben uns gefragt - und fragen uns zum Teil jetzt noch -, ob wir das durchhalten. Aber du musst es nicht bis in alle Ewigkeit tun. Glaubst du, du kannst dich eine Stunde lang von der Dunkelheit fernhalten?«
      Ich sah sie misstrauisch an. War das eine Fangfrage? »Ja, wahrscheinlich. Denke schon.«
      »Mehr musst du nicht tun«, sagte sie. »Mehr kann keiner von uns tun. Und manchmal glaubst du sogar, es nur von einer Minute zur nächsten durchzuhalten.«
      »Das verstehe ich nicht..
      »Versuch, in der nächsten Stunde eine Tähti zu sein. Wenn du es schaffst, nimm dir eine weitere Stunde vor. Wenn du diese Stunde abhaken konntest, nimm die nächste in Angriff. Und wenn dich Zweifel plagen, versuch es halt für die nächsten zehn Minuten. Du brauchst nicht zu schwören, für den Rest deines Lebens eine Tähti zu sein. Aber versuch es zumindest, immer eine Stunde nach der anderen.«
      Es dauerte eine Weile, bis das Konzept bei mir durchsickerte. River lächelte mich an. »Möchtest du noch die gute Nachricht hören? Es wird schwieriger, je mehr deine Kraft wächst.« Mir war mein Entsetzen anzusehen, was sie zum Lachen brachte.
      »Wenn du noch nicht viel kannst, ist es ziemlich einfach, keinen Schaden anzurichten«, erklärte sie. »Jemanden nicht anzurühren. Aber wenn du sehr stark bist und weißt, dass du ihn
      zerquetschen kannst wie einen Käfer - dann werden dein Wille und deine Selbstbeherrschung wirklich auf die Probe gestellt. Da geht es dann tatsächlich darum, eine Minute nach der anderen zu überstehen.«
      »Na toll!« Ich musste sofort aufhören, das ganze Zeug zu lernen.
      River lachte wieder und strich mir die Haare aus dem Gesicht. »Du bist vorhin wirklich ausgeflippt.«
      »Ich weiß.«
      »Wie fühlst du dich jetzt?«
      Ich führte einen Selbstcheck auf Angst und Panik durch. »Besser.« Erstaunlicherweise.
      »Und weißt du, was mir aufgefallen ist?«
       »Was für ein Weichei ich bin?«
      »Nein. Dass du nicht weggelaufen bist.« Ihre kühlen Finger strichen über meine Wange. »Gut gemacht«, sagte sie leise. »Ich bin stolz auf dich.«
      ***
    Als River am nächsten Tag nach dem Teufelshuhn sah, fand sie dort sieben kleine Flauschküken vor, die herumrannten und ein nervtötendes Dauerpiepsen von sich gaben. Es gab neues Leben in River's Edge.

27
 
      Ich hatte allein in meinem Zimmer mit meinem Schwert geübt, lautlos in der Luft herumgefochten, um mich noch besser an meine Waffe zu gewöhnen, an ihr Gewicht und ihre Balance. Außerdem hatte ich draußen auf das Gestrüpp eingeschlagen, das rund um die Bäume wucherte, an denen sich jetzt winzige grüne Blättchen zeigten, zart wie Reispapier.
      Aber als Reyn fragte, ob ich mit ihm trainieren wollte, sagte ich natürlich sofort Ja. Wie üblich gingen wir auf die Lichtung hinter der Scheune, was ganz gut war, weil dort keiner sehen konnte, wie ich mit einem Mini-Schwert Mighty Mouse spielte. Ich musste zugeben, dass mir das Training Spaß machte. Ich würde zwar niemals so gut sein wie jemand, der damit aufgewachsen war, aber zumindest leistete ich mir keine groben Schnitzer mehr. Es stimmte schon, was Reyn gesagt hatte: Ich hatte wirklich Spaß daran, Dinge niederzumetzeln.
      Bei unseren Zweikämpfen setzte Reyn vielleicht fünf Prozent seiner Kraft ein, aber es fühlte sich trotzdem nach einer Herausforderung an und mein Halstuch war schon bald schweißfeucht.
      Ich stürmte auf ihn zu, den Körperschwerpunkt nach unten verlagert, wie er es mir beigebracht hatte.
      »Und ... du bist tot«, sagte Reyn zum hundersten Mal. Er schnippte mir mühelos das Schwert aus der mit Blasen übersäten Hand und berührte meine Rippen mit der Spitze seine Klinge.
      »Verdammt, schon wieder!«, rief ich und rieb mir die brennende Handfläche.
      »Wir fechten hier nicht«, sagte er und wartete darauf, das ich meine Waffe wieder aufhob. Er atmete nicht einmal schneller, während ich bereits hechelte wie ein Hund auf einer heißen Straße. »Du brauchst nicht schnurgerade vor mir zu stehen und eine perfekte Haltung einzunehmen und es gibt

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