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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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beinahe. Von nun an würden wir immer wissen, wer er gewesen war. Es war unmöglich, es wieder zu vergessen. Sein Gesicht war ausdruckslos und verschlossen.
      »Das war das Wappen meines Vaters«, sagte ich. »Fünf schwarze Bären auf rotem Grund. Manchmal trugen die Bären Kronen.« Ich atmete aus. »Meine Schwester und ich haben uns Geschichten über die Bären ausgedacht, ihnen Namen gegeben und sie Abenteuer erleben lassen.« Meine Schwester. Oh, Eydis, ich vermisse dich immer noch, auch nach dieser langen Zeit.
      Ich musste mich hinlegen oder vielleicht unter der Dusche weinen. Ich sprang abrupt auf, murmelte »Danke« und lief hinaus.
      Vielleicht war Annes kleine Übung nützlich. Keine Ahnung. Aber nur, um es mal wieder zu erwähnen: Ich hasse Meditieren.

7
 
      Wenn ich nach dem Abendessen keine Pflichten mehr habe, verziehe ich mich gewöhnlich in mein Zimmer.
      Ich habe dort ein großes altes Buch über die Magie der Unsterblichen im Mittelalter, das eine prima Tarnung für den Liebesroman ist, den ich tatsächlich lese.
      Aber heute hatte ich das Gefühl, dass ich mich zu den anderen gesellen sollte, die wahrscheinlich im Wohnzimmer saßen.
      Natürlich würde ich dann mit ziemlicher Sicherheit auf Ottavio und Daniel stoßen, die ich mittlerweile genauso hasste, wie sie mich hassten.
      Aber ich war schließlich auf dem besten Weg, ein großes Mädchen zu .werden, also konnte ich meine Fortschritte ebenso gut auf die Probe stellen.
      Im Wohnzimmer saß Brynne auf der Zweiercouch und las.
      Ihre bestrumpften Füße hingen über die Lehne. Als sie mich bemerkte, schwang sie die Füße auf den Boden und klopfte auf den freien Platz neben sich.
      »Hi«, sagte ich. »Ich bin gekommen, um an meiner Kontaktfreudigkeit und meiner sozialen Kompetenz zu arbeiten.« Ich setzte mich mit dem Rücken an eine Armlehne, sie lehnte sich an die andere und unsere Beine hingen in der Mitte übereinander. Brynne lachte kurz auf und deutete dann mit einer Kopfbewegung auf das andere Ende des großen Raums. Dort hatten sich alle Lehrer versammelt und auch Daniel und Ottavio waren da.
      »Oh, so viele ernste Gesichter«, murmelte ich. »Hast du mitbekommen, worüber sie reden?«
      »Nein«, sagte Brynne. »Und das, obwohl ich es wirklich versucht habe. Aber River hat ihren Brüdern bis jetzt keine Kopfnuss verpasst, also geht es vielleicht ausnahmsweise nicht um dich.«
      »Wer's glaubt. Du weißt doch, dass die beiden nur hier sind, weil ich eine gefährliche, unkontrollierbare Bedrohung darstelle.« »Reden wir jetzt wieder über deine Klamotten?«, fragte Brynne unschuldig und ich verpasste ihr einen strafenden Tritt. Sie kicherte, wurde aber schnell wieder ernst. »Ich glaube, so etwas wurde erwähnt.« Sie lehnte sich wieder zurück und wisperte: »Was hältst du von Daniel? Heißer Typ, oder?«
      Ich warf einen Blick durchs Zimmer. Daniels Gesicht wirkte vor dem Kaminfeuer rot umrandet. »Irgendwie schon«, gab ich zu. »Aber mit seinen blöden Vorurteilen und dem Bestechungsversuch hat er es sich mit mir verscherzt.«
      Brynnes weiße Zähne hoben sich schimmernd von der karamellfarbenen Haut ab. »Er hat versucht, dich zu bestechen?
      Wozu? Dass du von hier verschwindest?«
      Ich nickte und Brynne kicherte. »Und bist du darauf eingegangen?« »Er hat weniger als hundert Millionen geboten.«
      »Ach, dann zum Teufel mit ihm. Außerdem sollst du wissen, dass ich es mir zur persönlichen Aufgabe gemacht habe, ihn umzustimmen. Ich werde ihn überzeugen, wie falsch er liegt, was dich betrifft.« Ihre Augen folgten jeder von Daniels Bewegungen und ich musste unwillkürlich an eine Schlange denken, die eine Ratte fixiert. »Was immer dazu nötig ist«, fügte sie verträumt hinzu. »Ich opfere mich gern für dich.«
       Ich musste mir ein Lachen verkneifen und verpasste ihr noch einen Tritt. Sie presste sich die Hand vor den Mund, aber die Lachfältchen um die Augen verrieten sie.
      »Im Ernst«, sagte ich schließlich. »Die denken, dass ich gefährlich bin. Macht dir das keine Angst?« Bloß nicht.
      »Ach das«, sagte Brynne gleichgültig und rückte hinter sich ein Kissen zurecht. »Die kennen dich nur nicht, das ist alles.« Eine warme Welle der Dankbarkeit flutete mein Herz, aber ich musste noch mal nachhaken. »Aber du kennst mich doch eigentlich auch nicht.«
      Das weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie hörte auf, an dem Kissen herumzuzerren, und sah mich an. »Tu ich doch«,

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