Entfesselt
miese Dinge passierten und dass ich schließlich von hier weglief. Asher hatte daraufhin alles abgesucht und herausgefunden, dass der große Spiegel im Esszimmer verhext worden war – so hatte Incy mich beeinflusst. Sie hatten den Spiegel zerstört.
»Wir haben ihn verbrannt – ein paar Tage nachdem du wieder da warst«, sagte Asher. »Ungefähr drei Tage danach. Könnte jemand - außer Innocencio - noch damit in Kontakt gestanden haben?« Er schüttelte den Kopf. »Entweder das oder in dieser Nacht war noch jemand anders im Lagerhaus. Jemand, von dem wir nichts wissen.«
»Oh Gott«, sagte ich. »Darauf wäre ich nie gekommen. Das Lager war riesig und so dunkel wie im Bauch eines Schiffs - man hätte hundert Leute dort verstecken können und ich hätte es nicht gemerkt.« Bei diesem neuen und unheimlichen Gedanken gruselte ich mich fast zu Tode.
»Außerdem hast du unter dem Einfluss eines Fesselungszaubers gestanden«, fügte River hinzu. »Also war deine Wahrnehmung ohnehin eingeschränkt.«
»Ich werde das komplette Anwesen durchsuchen«, verkündete Ottavio. »Manchmal sieht man als Außenstehender mehr als andere.«
»Ich werde dabei helfen.« Anne sah besorgt aus.
Solis sagte kein Wort und ich hasste die Vorstellung, dass er mich immer noch loswerden wollte. Dann nickte River Asher zu, als hätte dieser eine Frage gestellt, und Asher nahm eine kleine Holzschatulle vom Couchtisch.
Solis schaute auf. »Ihr wisst, dass ich damit nicht einverstanden bin.«
River nickte freundlich. »Ich weiß. Aber ich glaube, dass es das Beste ist. Nastasja, komm bitte mal her.«
Asher hielt mir die Schatulle hin und ich nahm sie zögernd. »Es gehört dir« , sagte er. »Wir haben nur auf den richtigen Moment gewartet.«
Ich drückte den Mechanismus zum Öffnen des Deckels. In der Box, auf einem Bett aus grobem Salz lag ... das Amulett meiner Mutter, repariert und heil und an einer Kette, genau wie in der Nacht, als sie starb.
Vollkommen fasziniert verlor ich mich darin. Der Raum um mich herum verblasste, als ich mit den Fingern über jedes Detail fuhr. Die Hälfte, die ich immer besessen hatte, war mir so vertraut wie ein Grashalm; die Hälfte, die ich von Reyn bekommen hatte, war gleichermaßen neu und mit liebevollen Erinnerungen behaftet. Und in der Mitte schimmerte mein milchig-durchscheinender Mondstein. Der Mondstein, der dazu beigetragen hatte, mir in dieser Nacht im Lagerhaus das Leben zu retten.
Das Amulett war nicht so schwer, wie ich es in Erinnerung hatte aber als ich es das letzte Mal im Ganzen in der Hand hielt, war ich erst zehn gewesen. Das uralte Gold glänzte frisch poliert und die Runen und Sigils hoben sich noch deutlich ab.
Es war wie etwas Lebendiges in meiner Hand, warm und voller Energie, wie ein Vogel.
Nur mit Mühe konnte ich meinen Blick davon losreißen und River ansehen. Sie betrachtete mich aufmerksam und voller Liebe, aber ich spürte die Anspannung der anderen. »Ist das meins?« Meine Stimme klang dünn, beinahe wie die eines Kindes. »Natürlich«, sagte River. »Es war schon immer deins.«
»Bist du verrückt?«, rief Ottavio entsetzt.
Ich grinste ihn frech an, aber im Innern überwältigten mich meine Emotionen. Dies war das einzige Ding, das von meinem ursprünglichen Leben, meiner Familie, noch übrig war. Ich hatte mich daran gewöhnt, nur eine abgebrochene Hälfte zu besitzen, und war nie auf die Idee gekommen, dass es eines Tages wieder heil sein könnte. Und jetzt betrachtete ich es, hielt es an der Kette und sah zu, wie sich der Anhänger langsam drehte. Im Kopf hörte ich die Stimme meiner Mutter ihr Lied singen, das Lied, mit dem sie ihre Magie herbeirief.
Würde es bei mir genauso funktionieren?
»Was, wenn -«, begann ich und sah River an. »Also, weil - meine Eltern waren Terávà. Ihre Magie war Terávà. Und das hier -«
»Wird dir helfen, deine Magie heraufzubeschwören«, antwortete River, »weiße und schwarze Magie. Wir haben es mit machtvollen Beschwörungen gereinigt und entzaubert und morgen werden wir dir zeigen, wie du es noch fester an dich binden .kannst. Von sich aus wird es keine Terávà-Magie machen. Es sei denn, du willst es.«
Noch mehr ernste Gesichter. Man konnte praktisch hören, wie alle dachten: Hoffentlich ist es kein Fehler, ihr das Ding zu geben.
Ich nickte. Es war fast zu viel für mich - das Amulett meiner Mutter, wieder heil! Ich wusste natürlich, dass Asher daran
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