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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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saß ab und musste einen Aufschrei unterdrücken, als sich meine Muskeln wieder streckten. »Wieso hab ich das getan? Ich werde morgen nicht mehr laufen können.«
      »Es tut anfangs immer weh, aber dann gewöhnt man sich daran.« Er grinste mir zu und ich verdrehte die Augen. »Sag Bescheid, wenn ich dich massieren soll.. Seine Stimme klang scherzhaft, aber der Blick seiner tiefgoldenen Augen war umwerfend und schien so viel zu versprechen. Ich wandte mich schnell ab und fummelte an meinem Steigbügelriemen herum, um nicht vor ihm auf den Boden zu sinken und ihn anzubetteln, mich zu küssen. So etwas lässt ein Mädchen wirken, als wäre es leicht zu haben. Vor allem der Teil mit dem Betteln. Als ich meine Gesichtszüge endlich wieder unter Kontrolle hatte, zog Reyn ein Schwert.
      »Nicht schon wieder«, stöhnte ich.
      »Doch«, sagte er. »Schon wieder. Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe.« Er griff in seine Satteltasche und zog ein zierliches, dünnes Schwert heraus, das etwa die Hälfte von dem wog, das ich beim letzten Mal geschwungen hatte. Ein Schwert für ein Mädchen. Er präsentierte es mir stolz.
      Es war wunderschön und mit Goldeinlagen verziert. Es schien ziemlich alt zu sein, war aber so großartig gearbeitet, dass die Zeit keinerlei Spuren hinterlassen hatte. Der Griff schmiegte sich in meine Hand, als hätte ich das Schwert für mich maßanfertigen lassen, und es wurde sofort zu einer nahtlosen Verlängerung meines Arms. Ich schwang es probeweise.
      »Andere Männer schenken Blumen«, informierte ich Reyn. »Klar, aber beschwer dich bitte nicht bei mir, wenn dein Feind nur müde lächelt, wenn du ihm den Blumenstrauß um die Ohren haust«, sagte Reyn. Er hob sein eigenes Schwert. »En garde.«
      Nach einer Stunde war ich schwach vor Hunger - die Mittagszeit war vorbei -, meine Arme fühlten sich an, als hätte sie jemand durch Schaumstoffattrappen ersetzt, und meine Beine würden mir nie verzeihen. Ich würde morgen furchtbar leiden.
      Meine Handflächen waren voller Blasen, ich war müde, schmutzig und meine Lunge brannte, weil ich so atemlos war. Ich fühlte mich total ... lebendig. Zum ersten Mal seit - ich konnte mich nicht erinnern, seit wann. Ich dachte an mein Amulett, das heil und komplett in dem Versteck in meinem Zimmer lag, und musste feststellen, dass mein Leben im Moment gar nicht schlecht war.
      Dieses ungewohnte Gefühl hielt noch eine Weile vor - bis wir wieder in River's Edge eintrafen und dort das totale Chaos vorfanden: Alle Fensterscheiben im Erdgeschoss waren herausgesprengt worden.

9
 
      Es war eine von diesen Situationen, in denen man sich sagt: Ein Glück, dass ich nicht an Bord der Titanic war, denn sieh dir an, was geschehen ist. Ich war froh, dass ich weit weg im Wald gewesen war, denn sonst hätten sie bestimmt wieder versucht, mir das anzuhängen. Es sei denn, ich sollte das Ziel sein. In dem Fall würde ich am liebsten auf der Stelle kehrtmachen. Reyn übernahm die Pferde und ich rannte zum Haus. Jedes Fenster im Erdgeschoss war zerstört. Draußen lagen Scherben und Holzsplitter. Rachel und Daisuke wickelten die größeren Glasstücke in Zeitungspapier und Charles und Anne harkten rund ums Haus alles weg, doch die zehn Zentimeter hohe Laubschicht, die dort lag, erleichterte ihnen die Arbeit nicht gerade. Ich überlegte kurz und rannte dann los, um unsere große Mülltonne zu holen. Sie war fast so groß wie ich, aber durch die Räder konnte ich sie hinter mir herziehen. Meine Handflächen brannten immer noch vom Schwerttraining - sobald ich eine freie Minute hatte, würde ich hineingehen und sie verpflastern.
      »Danke - gute Idee«, sagte Rachel und begann, die Tonne zu füllen.
      »Wie ist das passiert?«, fragte ich.
      »Es ist während eines Zirkels geschehen«, erklärte Anne gestresst und kippte einen Karton voll Blätter und Glasscherben in die Tonne. Dann begann sie, den Karton neu zu füllen. Wenn sie in diesem Tempo weiter machte, würde der Bereich rund ums Haus picobello sauber werden – allerdings erst im August.
      River kam um die Hausecke. Sie wirkte gehetzt und besorgt, schien aber erleichtert, mich zu sehen.
      »Nastasja!« Sie drückte mich. »Bist du in Ordnung? Diese Sache hier ist passiert und niemand konnte dich finden. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass es Teil von etwas Größerem sein könnte und dass dir etwas zugestoßen ist.«
      »Oh nein, mir geht's gut«, beteuerte ich.
      »Dann haben wir gemerkt, dass

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