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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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eines der Reitpferde heraus. »Aber es wundert mich, dass du etwas davon gespürt hast. Das ist Sorrel«, sagte er und drückte mir den Führstrick des Pferdes in die Hand. »Hi, Sorrel«, murmelte ich und es gefiel mir gar nicht, so dicht bei einem Pferd stehen zu müssen. »Was wollen sie denn in der Zukunft sehen?«
      »Keine Ahnung. Moment mal.« Er ging in die Sattelkammer und kam mit einem kleinen, leichten Sattel wieder, wie man ihn zum Springreiten verwendet. »Halt sie gut fest.«
      Er wusste, wie ungern ich mit Pferden zu tun hatte, und damit konnte er sich von seinen Extrapunkten in Sachen Sensibilität wieder verabschieden.
      »Was wollen sie herausfinden?«, bohrte ich.
      »Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Reyn und zog den Sattelgurt fest. »Vielleicht wollen sie versuchen, die Zusammenhänge zu verstehen - mit Incy und seinem >Meister< und allem. Okay, los jetzt.« Er deutete auf Sorrel und verschränkte die Hände, als wollte er mir beim Aufsitzen helfen.
      Ich starrte ihn an. »Was soll das?«
      »Es ist ein schöner Tag. Lass uns ausreiten. Du kannst Sorrel nehmen.«
      »Das kannst du vergessen.«
      Der gelassen-geduldige Ausdruck, der sich auf seinem Gesicht ausbreitete, machte mich misstrauisch. Ich kam mir vor wie ein Dorf, das kurz vor einer Belagerung steht. »Ich weiß doch, dass du reiten kannst.«
      Ich konnte sogar sehr gut reiten und war eine Zeit lang sehr viel geritten. Aber Pferde zu besitzen oder auch nur zu reiten, war eines der Dinge, die ich mir im Laufe der Jahre abgewöhnt hatte. Es gehörte zu meinem (natürlich erfolglosen) Plan, alles zu vermeiden, dessen Verlust mich verletzen konnte. Aus diesem Grund hatte ich keine Haustiere und als engste Freunde hatte ich Menschen gewählt, die kamen und gingen, ohne dass einer von uns darunter litt. Nur mit Incy war es anders gewesen. In der letzten Zeit wurde mir unangenehm bewusst, wie sich die Tentakel der Zuneigung um mich schlangen: River und die Leute hier, Meriwether und Dray, die Farm, Reyn. Mein Amulett. Je mehr ich zu verlieren hatte, desto mehr schwand meine Sicherheit. Bis jetzt hatte ich das blanke Entsetzen angesichts dieser Entwicklung halbwegs unter Kontrolle gehalten, aber gelegentlich erwischte es mich doch - zum Beispiel als Reyn mir anbot, Dufa mit ihm zu teilen, oder jetzt, wo er mich zum Reiten drängte.
      »Und ich weiß, dass du Steine mit einem Hammer zerschlagen kannst, aber ich erwarte trotzdem nicht, dass du es tust«, entgegnete ich trotzig.
      Das berechnende Funkeln in seinen bernsteinfarbenen Augen hätte wohl jeden beunruhigt - nicht nur mich. Er drehte sich wortlos um und holte ein anderes Pferd aus der Box. Es war schwarz und größer als Sorrel, aber sein eleganter Körperbau verriet mir, dass es ebenfalls ein Reitpferd war und kein Arbeitspferd für den Pflug.
      »Ich will mit dir ausreiten.« Er legte dem Schwarzen einen größeren Sattel auf, der seiner Körpergröße angemessen war. »Und ich will Weltfrieden«, konterte ich.
      Reyn hielt das schwarze Pferd am Zügel und trat so dicht an mich heran, dass ich den Pulsschlag an seinem Hals sehen konnte. Er bewegte sich langsam, so als wollte er mir Zeit lassen wegzulaufen wie der Feigling, der ich nun einmal bin. Er hob eine Hand und legte sie um mein Kinn. Ich atmete unwillkürlich schneller. Dann fuhr er mit einem Finger über meine Wange und ich musste die Lippen fest zusammenpressen, um kein total peinliches Fiepen von mir zu geben. Er beugte sich über mich und ich spürte, wie meine Mauer des Widerstands zu bröckeln begann.
      Aber er küsste mich nicht. »Reiten wir aus, du und ich«, sagte er leise. »Lassen wir eine Zeit lang alles hinter uns.« Dieser herzlose Bastard. Meine Mauer des Widerstands war zusammengefallen.
      Zehn Minuten später waren wir außer Sichtweite von River's Edge. Die kalte Luft hatte meine Wangen gerötet und brannte in der Lunge, und meine Beine spürten schon überdeutlich die Jahre, in denen ich ihnen nicht mehr abverlangt hatte als gehen, shoppen und gelegentlich tanzen.
      Sorrels aufmerksam gespitzte Ohren rahmten meinen Ausblick ein, und von einer Hügelkuppe aus konnte ich hier und dort gelbe Blüten sehen, so weit das Auge reichte.
      »Forsythien«, sagte ich und zeigte darauf.
      »Frühling.« Reyn sah auf dem edlen schwarzen Pferd natürlich total umwerfend aus. Er ritt fantastisch, die Zügel locker in einer Hand. Vermutlich hatte er genauso reiten gelernt wie ich, ohne

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