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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Sattel und mit nichts außer der Mähne zum Festhalten. »Ich wusste nicht, dass es hier all diese Wege gibt.« Gewundene Pfade, die Reyn offenbar auswendig kannte, führten durch den Wald und stetig bergauf, bis wir schließlich auf einer Anhöhe ankamen, von wo aus man kilometerweit sehen konnte.
      »Die gibt es schon ewig«, sagte Reyn und strich sich das windzerzauste Haar aus dem Gesicht. »Sie sind schön, aber ich hätte auch gern eine ebene Strecke, auf der wir richtig Gas geben könnten. In dieser Richtung kommen wir zu einer kleinen Lichtung.«
      Er trieb sein Pferd an und ich folgte seinem Beispiel und duckte mich unter tiefhängenden Ästen hindurch. An einigen Büschen konnte ich schon die ersten Ansätze kleiner grüner Blättchen sehen.
      Wir ritten mehrere Minuten lang an einem Zaun entlang, der im Bogen zurück nach River's Edge führte. Erschrocken erkannte ich die Stelle wieder, an der Incy mich an dem Abend gefunden hatte, als ich weggelaufen war. Wenn ich mich konzentrierte, konnte ich die Autos auf der Straße hören - Incy hatte seinen Wagen dort gelassen und sich zu Fuß auf die Suche nach mir gemacht. Ich hatte halb erfroren an diesem Zaunpfahl dort drüben gekauert. Es war eine schmerzhafte Erinnerung - ich hatte mich so zerschlagen gefühlt, so hoffnungslos.
      Ich hatte dort gelegen und in der Winternacht so heftig geschluchzt, dass ich mich fast übergeben hätte.
      Und dann hatte Innocencio mich gefunden und aufgesammelt wie einen vom Baum gefallenen Apfel.
      »Wie oft warst du verheiratet?« Reyns ruhige Stimme übertönte mühelos den Hufschlag der Pferde.
      Ich blinzelte verblüfft und scheute innerlich vor der Erinnerung an meine Ehen zurück. Aber das hier war Reyn, und seiner Frage auszuweichen würde mühsamer sein, als mich dem Schmerz zu stellen. »Siebenundzwanzig Mal«, sagte ich bockig.
      »Was?« Er drehte sich beinahe erschrocken und mit großen Augen zu mir um.
      »Nein, nur zwei Mal. Beide Male aus verschiedenen Gründen totale Reinfälle.« Mist, ich wollte nicht daran zurückdenken. »Und bei dir?«, fragte ich, obwohl mir im selben Moment klar wurde, das ich gar nichts darüber hören wollte, ob Reyn verheiratet gewesen war.
      »Drei Mal.« Er zuckte mit den Schultern. »Um Bündnisse mit den anderen Stämmen der Taiga zu schließen. Ich musste einheiraten oder sie töten.«
      Ich hätte beinahe gelacht, doch ich verkniff es mir, weil ich erkannte, dass es sein Ernst gewesen war: Er hätte sie wirklich töten müssen. Na super. Eine Liebesheirat sah anders aus. »Meine letzte Ehe war um 1630 oder so«, sagte er. »Ungefähr« Er rieb sich das Kinn und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Moderne Frauen ... scheinen in mir keinen Heiratskandidaten zu sehen.« Er sah mich an und lachte kurz auf, als überraschte es ihn selbst, dass er etwas so Persönliches preisgab. »Eher einen Typen für eine Nacht. Oder einen verrückten Sommer. So was eben.«
      Das konnte ich gut verstehen. »Wortkarg« und »gefährlich« waren wohl nicht die Qualitäten, die Frauen sich bei ihrem Ehemann wünschten - aber das ist nur eine wilde Vermutung. Reyn wirkte verlegen, sein Rücken war durchgedrückt. Ich fragte mich, wieso er so viel von sich verraten hatte.
      »Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass auch ich nicht die beste Ehefrau abgebe«, sagte ich und zählte meine Mängel an den Fingern ab. »Nicht häuslich, nicht liebevoll, nicht geduldig, nicht scharf aufs Kochen. Ich könnte den ganzen Tag weitermachen.«
      Das brachte mir einen so merkwürdigen prüfenden Blick ein, dass ich schnell so tat, als würde mich das Eichhörnchen, das über unseren Köpfen von Ast zu Ast hüpfte, total faszinieren. »Hier durch«, sagte er und kurz darauf ritten wir zwischen zwei großen Bäumen hindurch wie durch ein Tor und landeten auf der Lichtung. Sie war etwa neun Meter lang und annähernd oval. Die vermoderten Baumstümpfe verrieten mir, dass dieser Fleck absichtlich gerodet worden war. Vielleicht um eine Blockhütte zu bauen oder etwas in der Art.
      Reyn saß ab und führte sein Pferd zu einem tiefhängenden Ast. »Fein gemacht, Geoffrey«, murmelte er und streichelte dem Schwarzen über seine weiche Nase.
      Die Wahrscheinlichkeit, dass meine Knie unter mir nachgaben, wenn ich ebenfalls vom Pferd stieg, war groß, aber Reyn kam herbei und nahm meine Hand.
      »Komm schon«, sagte er und ich konnte ihm ansehen, dass er kein Nein akzeptieren würde.
      Ich

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