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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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herausstach: Seine Haare waren mittelbraun und die Sonne hatte helle Strähnen hineingebleicht, sein Gesicht war gebräunt und ein wenig vom Wetter gegerbt, während Daniel und Ottavio viel gepflegter wirkten. Ottavios Augen waren schwarz, die von River und Daniel von einem helleren, klaren Braun wie Tabaksaft, aber Joshuas waren braun, grün und blau marmoriert.
      Brynne wartete und ließ ihn nicht aus den Augen.
      Joshua sah sich um, bis er mich entdeckte. Er deutete mit einem Kopfrucken auf mich und konzentrierte sich dann wieder auf sein Abendbrot, das er so bedächtig verzehrte, als müsste er sich zwingen, es nicht wolfsmäßig zu verschlingen.
      Ich schon wieder. »Oh Jesus Christus«, murmelte ich und legte die Gabel hin.
      »Nein, eigentlich nicht«, sagte Reyn mit eisigem Sarkasmus. »Ganz und gar nicht.«
      In Joshuas Augen flammte Wut auf und ich hielt den Atem an, weil es mir vorkam, als würde gleich etwas Schreckliches passieren.
      River setzte energisch ihr Weinglas ab. »Zum Nachtisch gibt es Apfelkuchen«, verkündete sie, aber es klang wie eine Drohung. »Ich helfe dir«, sagte Daisuke und begann, die Teller abzuräumen. Das brach die Spannung oder dämpfte sie zumindest ein bisschen. Trotzdem fragten wir uns alle, was zum Teufel hier eigentlich vorging.
      ***
     
      »Nastasja, warte.« Ich blieb auf dem oberen Treppenabsatz stehen, bis River mich eingeholt hatte. Sie sah gestresst und müde aus. Wahrscheinlich hatte sie ihre missgelaunte Sippe allmählich satt. »Du verziehst dich nach oben? Hast du etwa keine Lust auf einen netten Plausch am Kamin mit meiner Familie?«, fragte sie und der Scherz löste etwas von ihrer Anspannung. »Gott, nee, bloß nicht«, sagte ich. Sie kicherte, wurde aber gleich wieder ernst. Dann streckte sie die Hand aus, strich mir das Haar von der Schulter und berührte den dünnen Wollschal, den ich um den Hals trug. Mit einer Kopfbewegung deutete sie den Flur entlang. »Lass uns in dein Zimmer gehen.«
      In meinem Zimmer setzte ich mich aufs Bett, auch wenn es mir schwerfiel - ich hatte das Bedürfnis, hektisch herumzulaufen, um schneller zu sein als die Gedanken, die in meinem Kopf herumrasten. Die Ankunft eines weiteren Bruders, weil ich ja angeblich so gefährlich war, hatte mich ziemlich erschüttert. Ottavio war schlimm genug, dann Daniel und jetzt auch noch Joshua.
      River hatte noch nichts gesagt und ich schaute auf. Sie setzte sich neben mich und stellte ihre geduldige Miene zur Schau. »Was?«, fragte ich.
      »Ich will nicht, dass du gehst«, sagte sie.
      Bis zu diesem Augenblick war mir nicht einmal bewusst geworden, dass dieser Gedanke bei mir Fuß gefasst hatte, sogar noch bevor Daniel versucht hatte, mich dafür zu bezahlen, dass ich verschwand. Aber ja, ich hatte den Geistesblitz gehabt, von hier fortzugehen und nicht länger negative Aufmerksamkeit auf diesen Ort der Heilung und Zuflucht zu lenken. Ich sollte gehen, sollte mein Amulett nehmen und -   Erst da merkte ich, was sie getan hatte: in meinem Gesicht gelesen. Und zwar diesmal bevor der Gedanke überhaupt auf meinem Gesicht erschienen war.
      »Verdammt noch mal«, schimpfte ich und sie lachte. »Also, jetzt bist du mir unheimlich,«
      »Ich sag doch, dein Gesicht ist ein offenes Buch für mich«, sagte sie und hob die Hände. »Wie wär's mit einem Pokerabend mit richtig hohen Einsätzen?«
      »Ha, ha, sehr witzig.« Ich beugte mich vor und drehte meinen Heizkörper auf, um die Kühle aus dem Zimmer zu vertreiben. Ich wollte gehen, wusste aber auch, dass sie es mir ausreden würde. Also konnte ich ebenso gut das Thema wechseln. »Und du musst jetzt alle Fensterscheiben ersetzen lassen.« River nickte. Jetzt war sie wieder ernst. »Das war wirklich merkwürdig. Geradezu ... unheimlich. Wir hatten so viel positive Energie erzeugt und ich hatte gehofft, ein paar Antworten zu bekommen. Ich will wissen, wer der Meister ist, den Innocencio erwähnt hat. Ich will wissen, von wem er kontrolliert wurde.«
      Ich spielte mit den Enden meines Schals. »Das ist nur wegen mir. Wenn ich nicht hier wäre, wäre das nie passiert.«
      »Das kannst du nicht wissen«, widersprach River. »Ich habe keine Ahnung, wieso unser Zirkel so geendet hat - das müssen wir noch herausfinden. Aber eines weiß ich genau ... du bist noch nicht stark genug, um allein da draußen in der Welt zu überleben.« Ihre Stimme klang sanft.
      Ich wollte ihr widersprechen, wollte so gern eine starke,

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