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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Beschwörung, die River geschaffen hatte, uns beschützen würde. Aber das klappte nicht, weil ich an diesem Abend dabei gewesen war. Ich war vorgetreten und hatte mit den anderen mitgesungen, hatte meine Stimme mit Gewalt in ihren Gesang hineingezwängt. Meine Magie. Die ich durch mein Amulett geleitet hatte. Ich ließ mich auf den Boden sinken. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Meine Magie hatte sich eigentlich nicht dunkel angefühlt, aber ich hatte in meinem bisherigen Leben so wenig gezaubert - würde ich den Unterschied überhaupt merken? River war überzeugt, dass der Tarak-Sin meiner Familie für gute und böse Magie benutzt werden konnte. Aber war es nicht viel wahrscheinlicher, dass er geschaffen worden war, um böse zu sein, von einem Teräva-Handwerker geschmiedet, um für ewig Teräva-Magie zu machen?
      Bis jetzt war es nur eine Ahnung gewesen, eine Art nebelhafter Angst. Aber nun, hier im Hühnerstall, wurde es zur Gewissheit dass ich Rivers Schutzzauber und die Magie aller anderen, verdorben hatte. Diese wunderbare, faszinierende, Ehrfurcht gebietende Erfahrung war vollkommen umsonst gewesen. Mir war schlecht.
      Schnell und flach atmend nahm ich den Karton mit den toten Hühnern hoch und verließ den Stall. Sharon, die Tierärztin, fuhr gerade in die Einfahrt und die Räder ihres Wagens knirschten auf dem vom Frost gelockerten Kies. Angst und Verzweiflung ließen meine Hände zittern.
      Rivers Sorge galt jedoch nur den Hühnern. Falls ihr etwas an mir auffiel, hielt sie es sicher für Betroffenheit. Sie nahm mir den Karton ab und ich ergriff die Flucht.
      Ich war unheimlich erleichtert, als ich erfuhr, dass allen anderen Tieren nichts geschehen war - die Pferde, Kühe, Ziegen und die paar Schafe, die River besaß, schienen alle in Ordnung zu sein. Aber die Tierärztin sollte trotzdem zur Sicherheit nach ihnen sehen.
      Ich entdeckte Maggie, deren Nachwuchs um sie herumsprang, und Jasper, den Corgi-Mix, der beim Hüten der kleineren Farmtiere half, aber ich fühlte mich erst besser, als ich Reyn sah und den langbeinigen weißen Welpen, der ihm ständig vor den Füßen herumlief.
      Gott sei Dank, meine Dunkelheit hatte Dufa nicht getötet. Mehrere unserer Fahrzeuge sprangen nicht mehr an. Solis schrieb dies dem letzten Kälteeinbruch zu. Vielleicht wirkte das Frostschutzmittel nach dem langen Winter nicht mehr richtig. Es klang für mich nicht sehr glaubwürdig.
      Ich konnte keinem ins Gesicht sehen und wollte auch ihre ganzen Theorien nicht hören. Ich musste entscheiden, was ich tun sollte und wie ich es River beichten würde. Ich schaffte es schließlich, den farmeigenen Kleinwagen zu starten, und fuhr in die Stadt - alle anderen blieben in River's Edge, um herauszufinden, was da vor sich ging.
      Als ich Bill sah, der mit missmutiger Miene am Bordstein auf mich wartete, dachte ich panisch: Was kommt denn noch? »Was ist passiert?«, fragte ich und rechnete schon damit, dass die Hälfte der Arbeiter abgestürzt war und sich das Genick gebrochen hatte oder dass jemand mit dem Arm in die Kreissäge gekommen war oder etwas in der Art.
       »Oben«, sagte er nur.
      Eine der vier Wohnungstüren war aufgestemmt worden und das neue Schloss aus dem Türrahmen herausgebrochen. Mit Herzklopfen stieß ich die Tür auf und unterdrückte ein entsetztes Keuchen, als ich den Körper auf dem Boden liegen sah. Doch dann stöhnte die vermeintliche Leiche und bewegte sich ein bisschen. Erst da fielen mir die Bierflaschen, die leeren Dosen und die Zigarettenkippen auf, die auf dem frisch abgeschliffenen und versiegelten Boden ausgedrückt worden waren.
      Voller Wut betrat ich das angrenzende Zimmer und entdeckte zwei weitere Personen, die in der zukünftigen Essecke ihren Rausch ausschliefen. Bill folgte mir durch den schmalen Flur ins Schlafzimmer, wo zwei vollständig angezogene Mädchen auf Schlafsäcken lagen und schliefen.
      Eines der Mädchen war Dray.
      Ich machte kehrt und ging wieder hinaus, obwohl ich sie am liebsten getreten und ihnen in die verkaterten Gesichter geschrien hätte. Ich zog die Wohnungstür hinter mir zu, lehnte mich ans Treppengeländer und versuchte, meine Wut unter Kontrolle zu bekommen.
      »Verblödete Punks«, sagte Bill angewidert.
      Ich dachte an den coolen Schmuck, den Dray in Luisas Laden verkaufen wollte. Wie konnte sie es wagen, in eine von meinen neuen Wohnungen einzubrechen - eine von den glänzenden, frischen, total süßen und sanierten Wohnungen? Mit

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