Entflammt von deiner Liebe: Roman (German Edition)
hinweg. »Ich bin gekommen, um den Marquess of Nash zu sprechen.«
Wescot? Kannte er einen Wescot?
Mrs. Wescot schob ihren Schirm einige Zentimeter weiter durch den Spalt. »Bitte, Sir. Wenn Ihr einen Funken christlicher Nächstenliebe in Euch habt, dann lasst mich herein.«
Christliche Nächstenliebe? Närrisches Frauenzimmer. Der Marquess of Nash kannte so etwas nicht. Und doch wusste er, während er auf die zwanzig Zentimeter aus schwarzem Öltuch und zersplittertem Bambus hinunterschaute, die jetzt in die geheiligte Ruhe seines Heims ragten, dass er später bedauern würde, was er gleich tun würde. Warum musste er ausgerechnet heute Abend, von allen Nächten, diesen einen Funken der Nächstenliebe spüren – denn mehr gab es davon sicherlich nicht in seinem Herzen.
Aber die Frau war nass und die Nacht kalt. Nash riss die Tür auf und trat einen Schritt zur Seite.
Die Besucherin neigte scheu den Kopf und stellte ihren tropfnassen Schirm vorsichtig auf die Seite. Sie war überraschend jung, vielleicht gerade einmal achtzehn, und schien sich nicht daran zu stören, von einem Mann in Hemdsärmeln und Weste begrüßt zu werden. »Ich muss den Marquess of Nash sprechen«, sagte sie wieder. »Ich fürchte, ich habe keine Karte. Würdet Ihr so gut sein und ihn wissen lassen, dass ich hier bin?«
»Es ist eine ziemlich seltsame Zeit für einen Höflichkeitsbesuch«, sagte Nash, während er ihr vorsichtig den nassen Umhang abnahm. »Welcher Natur ist Euer Anliegen?«
»Es ist eine sehr persönliche Angelegenheit«, erklärte sie und wandte sich ihm leicht zu. »Er wird meinen Namen zweifellos kennen.«
Nash erstarrte, während er den Umhang wie etwas Giftiges hochhielt. Er blickte auf den Bauch der jungen Frau, und für einen Moment schien sich der Erdboden unter ihm aufzutun. Guter Gott, gewiss das nicht?
Doch ohne den schweren Umhang war nichts an der hohen, runden Schwellung misszuverstehen, und trotzdem erkannte er sie nicht. Er würde doch ... er würde sie doch wiedererkennen, oder etwa nicht? Oder war es jetzt tatsächlich so weit gekommen? Hatte er begonnen die Gesichter ebenso zu vergessen wie die Namen?
Nein. Das war nicht möglich. Er war fast lächerlich vorsichtig in solchen Dingen. Und sie war ebenso wenig eine Hure wie eine Lady. Sie war ... irgendetwas dazwischen. Zerbrechlich und grazil und fast erschreckend allein. Dann traf ihn die Erkenntnis, dass sie ihn ebenso wenig erkannte. Erleichterung durchströmte ihn und riss einen Großteil seines Zorns mit sich.
Behutsam legte er ihren Umhang über seinen Arm und griff nach der Lampe, die neben der Tür stand. »Kommt in den Salon, Kind«, sagte er. »Ich bin der Marquess of Nash.«
Er hörte sie scharf einatmen, schaute sich aber nicht um.
Nash hatte keine Ahnung, was man mit dem feuchten Umhang eines Gastes gemeinhin anstellte, also legte er ihn über einen Stuhl. »Nehmt doch Platz«, sagte er, dann drehte er den Lampendocht höher und zündete einige Kerzen in einem Leuchter an. Jetzt konnte er die Frau besser sehen und auch die Sorgenfalten, die sich in ihr Gesicht gegraben hatten, das ohne die tiefen Linien bemerkenswert hübsch gewesen wäre.
»Also«, sagte er, als er vor ihr stand, »wie kann ich Euch zu Diensten sein, Mrs. ... Wescot, nicht wahr? Eure Angelegenheit muss dringend sein, wenn Ihr mich zu so später Stunde aus meinem Bett holt.«
»Eurem B ... bett?« Die junge Frau verlor jetzt auch den letzten Rest von Farbe. »Ich bitte um Entschuldigung. M ... man hat mir gesagt ...«
»Was?«
Sie schien verlegen zu sein. »D ... dass Ihr üblicherweise nicht schlaft«, bekannte sie. »Dass Ihr die Nacht zum Tag macht und ... schlechten Gewohnheiten nachgeht.«
Nash sah sie eindringlich an. »Vielleicht habe ich ja nicht geschlafen, Mrs. Wescot«, schlug er vor, »und war vielmehr dabei, einer von meinen schlechten Gewohnheiten nachzugehen. Habt Ihr schon einmal daran gedacht?«
Sie errötete heftig, was Nash augenblicklich dazu brachte, sich wie der Flegel zu fühlen, der er war.
Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und betrachtete sie. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er. »Das war taktlos. Warum erklärt Ihr mir Euer Anliegen nicht, Ma’am? Es ist wirklich sehr spät für eine Dame, um allein unterwegs zu sein, was mich, jetzt, da ich darüber nachdenke, zu der Frage bringt: Wo steckt Mr. Wescot?«
Sie brach in Tränen aus. Nein, das waren keine Tränen mehr, eher Sturzbäche. Großartig! Die Schluchzer
Weitere Kostenlose Bücher