Entflammte Nacht
flüsterte Tunstell Floote zu.
Der blieb ungerührt.
»Wissen Sie etwas, das Conall nicht weiß?« Angesichts der Möglichkeit, entlastet zu werden, tat Alexias Herz einen jähen Satz. Leider schüttelte der Beta den Kopf, und die Hoffnung löste sich auf. »Schon komisch, dass Sie mir mehr vertrauen als mein eigener Ehemann.« Schwer ließ sich Alexia auf das Fass sinken und rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen.
»Er hat noch nie vernünftig reagiert, wenn es um Sie ging.«
Lady Maccon nickte mit einem angespannten Zug um den Mund. »Das entschuldigt nicht sein Verhalten.« Ihr Gesicht fühlte sich steif an, als wäre es aus Wachs. Ein Bild, das ein paar äußerst unangenehme Erinnerungen heraufbeschwor.
»Nein, das tut es nicht«, pflichtete Professor Lyall ihr bei.
Alexia wünschte sich, er wäre nicht so nett gewesen – das trieb sie erbärmlich nahe an die Grenze zum Selbstmitleid. »Und der einzige Vampir, der vermutlich noch zu mir hält, ist Lord Akeldama. Und der ist verschwunden.«
»Verschwunden?«, fragten Madame Lefoux und Professor Lyall wie aus einem Munde.
Alexia nickte. »Ich war heute Morgen in seinem Haus. Es war verlassen. Und das, nachdem er mir anbot, bei ihm unterzukommen.«
»Zufall?« Tunstell sah aus, als wüsste er bereits die Antwort auf die Frage.
»Das erinnert mich an eine alte Redensart von Mr. Tarabotti«, meldete sich Floote zum ersten Mal zu Wort. »›Floote‹, pflegte er zu sagen, ›so etwas wie Schicksal gibt es nicht – es gibt nur Werwölfe. Und so etwas wie Zufall gibt es auch nicht – nur Vampire. Alles andere ist interpretierbar.‹«
Alexia musterte ihn scharf. »Wo wir schon von meinem Vater sprechen …«
Mit einem Seitenblick auf Lyall schüttelte Floote den Kopf und meinte dann: »Vertrauliche Information, Madam. Es tut mir leid.«
»Ich wusste nicht, dass Sie ein Agent waren, Mr. Floote«, sagte Madame Lefoux fasziniert.
Floote wandte den Blick ab. »Eigentlich nicht, Madam.«
Alexia kannte Floote schon seit Ewigkeiten. Wenn es um ihren Vater ging, rückte er keine Silbe heraus. Dieses Verhalten des ansonsten vorbildlichen Familienbediensteten konnte einen zum Wahnsinn treiben.
»Dann also auf zum Festland!« Alexia hatte darüber nachgedacht, während sie im Teehaus gewesen war. Amerika stand nicht zur Debatte, und in Europa – wo nur wenige Länder König Henrys Beispiel gefolgt waren und die Übernatürlichen in die Gesellschaft integriert hatten – waren Vampire viel verwundbarer. Vielleicht wären sie dort nicht ganz so tödlich. Oder verfügten wenigstens nicht über so viele Marienkäfer.
»Ich möchte nicht unhöflich sein«, bediente sich Professor Lyall der Redewendung, die am allermeisten gerade dann benutzt wurde, wenn man gleich etwas ziemlich Unhöfliches sagen wollte, »aber eine solche Reise sollte baldmöglichst angetreten werden. Es wäre keine schlechte Sache, wenn Sie London noch vor dem nächsten Vollmond verlassen, Lady Maccon.«
Madame Lefoux warf einen Blick auf einen Mondkalender, der neben verschiedenen Diagrammen an die Wand geheftet war. »Heute in drei Nächten?«
Professor Lyall nickte. »Vorzugsweise schon früher. Bis dahin kann ich Sie von BUR -Agenten beschützen lassen, Lady Maccon, aber bei Vollmond sind alle meine Werwölfe außer Dienst und meine anderen Ressourcen ausgeschöpft, da ich mich auf die Vampir-Agenten nicht verlassen kann. Wenn sie unter dem Einfluss einer Königin stehen, würden sie einen entsprechenden BUR -Befehl missachten.«
»Sie können Ihre Habseligkeiten hier lagern, solange wir fort sind«, bot Madame Lefoux ihr an.
»Na, das ist doch was! Wenigstens werden meine Kleider in Sicherheit sein.« Verzweifelt warf Alexia die Hände in die Luft. »Ich wusste, dass es eine schreckliche Idee war, heute Morgen das Bett zu verlassen.«
»Und Ivy, da bin ich mir sicher, wäre glücklich, Ihnen regelmäßig schreiben und Sie mit den neuesten Nachrichten aus London versorgen zu dürfen«, erbot ihr Tunstell seine Art der Ermunterung, begleitet von dem obligatorischen Aufblitzen überweißer Zähne. Es war gut, dass ihr Gatte Tunstell nicht in einen Werwolf verwandelt hatte, dachte Alexia bei sich. Der Rotschopf lächelte einfach zu oft. Die meisten Werwölfe stellten sich beim Lächeln nicht allzu geschickt an. Das wirkte bei ihnen eher unheimlich.
Weder Lady Maccon noch Madame Lefoux hielten es für angebracht, ihm zu erklären, wie unwahrscheinlich es war, dass sie irgendein
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