Entflammte Nacht
Hutschachtel einmal abgesehen. Daher spitzte er interessiert die Ohren. Eigentlich hatte er gehofft, Tunstell könnte ihm irgendwelche Informationen über das Verschwinden von Lord Akeldama geben, bedachte man die Vorliebe des Vampirs fürs Theater und dass Tunstell unter Lyalls Anleitung das Spionagegeschäft erlernt hatte. Aber vielleicht hatte auch Ivy unwissentlich etwas Interessantes zu berichten. Schließlich war Mabel Dair die Lieblingsdrohne von Countess Nadasdy.
»Und wie geht es Miss Dair?«, fragte er vorsichtig.
Das Mädchen kehrte zurück, und Ivy hantierte geschäftig mit dem Teewagen herum. »Oh, ganz und gar nicht gut! Die liebe Miss Dair und ich pflegen seit meiner Hochzeit beinahe freundschaftlichen Umgang miteinander. Sie und Tunny standen gemeinsam auf der Bühne. Offensichtlich war sie höchst aufgeregt über irgendetwas. Und ich sagte zu ihr: ›Meine liebe Miss Dair‹, sagte ich, ›Sie sehen ganz und gar nicht gut aus! Möchten Sie sich setzen und ein wenig Tee trinken?‹ Und ich denke, das hätte sie vielleicht auch getan.« Ivy verstummte kurz und musterte Professor Lyalls sorgfältig ausdruckslose Miene. »Wussten Sie, dass sie in gewisser Weise … nun ja, ich sage das nur ungern zu einem Gentleman wie Ihnen, aber dass sie eine … ähm, Vampirdrohne ist?« Letzteres flüsterte Ivy nur, so als könnte sie ihre eigene Kühnheit kaum fassen, auch nur flüchtig mit einer solchen Person bekannt zu sein.
Professor Lyall lächelte leicht. »Mrs. Tunstell, haben Sie vergessen, dass ich für das Bureau für Unnatürliche Registrierung arbeite? Miss Dairs Status ist mir sehr wohl bekannt.«
»Oh, natürlich. Wie dumm von mir!« Ivy überspielte ihre Verlegenheit, indem sie den Tee einschenkte. »Milch?«
»Ja, bitte. Und fahren Sie bitte fort. Hat Miss Dair Ihnen erzählt, welcher Natur ihr Kummer war?«
»Nun, ich glaube nicht, dass es ihre Absicht war, mich in die Sache mit einzubeziehen. Sie besprach etwas mit ihrem Begleiter, diesem hoch gewachsenen, gut aussehenden Gentleman, den ich auf Alexias Hochzeit kennenlernte – Lord Ambrittle, glaube ich.«
»Lord Ambrose?«
»Ja, genau. Was für ein netter Mann.«
Professor Lyall unterließ es, seine Meinung über Lord Ambrose kundzutun, nämlich dass er in Wahrheit ein ganz und gar nicht netter Vampir war.
»Nun, anscheinend überraschte Miss Dair die Countess bei einem Streit mit irgendeinem Gentleman. Ein Weiser, so ähnlich nannte sie ihn immer wieder, was immer das auch heißen mag. Und sie sagte, die Countess hätte diesem Weisen vorgeworfen, Lord Akeldama etwas weggenommen zu haben. Ziemlich erstaunlich. Warum sollte ein Weiser Lord Akeldama bestehlen?«
»Mrs. Tunstell«, sagte Professor Lyall sehr deutlich und in aller Ruhe, »hat Lord Ambrose bemerkt, dass Sie das mitanhörten?«
»Warum? Ist das etwa etwas von Bedeutung?« Ivy steckte sich eine kandierte Rosenblüte in den Mund und blinzelte ihren Gast an.
»Es ist jedenfalls bemerkenswert.« Vorsichtig nahm Lyall einen Schluck Tee. Er war ausgezeichnet.
»Ich spreche nur äußerst ungern schlecht über solch einen netten Mann, aber ich glaube, er hat mich nicht erkannt. Womöglich hielt er mich sogar für eine echte Verkäuferin. Schockierend, ich weiß, aber schließlich stand ich zu dem Zeitpunkt ja tatsächlich hinter einer Ladentheke.« Sie verstummte kurz, um an ihrem Tee zu nippen. »Ich dachte mir nur, Sie könnten diese Information hilfreich finden.«
Daraufhin musterte Professor Lyall sie mit ernstem Blick. Zum ersten Mal fragte er sich, wie viel von Ivy tatsächlich nur aus dunklen Locken, großen Augen und lächerlichen Hüten bestand und wie viel davon nur Show war.
Ivy erwiderte seinen direkten Blick mit einem besonders unschuldigen Lächeln. »Der große Vorteil daran, für albern gehalten zu werden«, sagte sie, »liegt darin, dass die Leute einen auch für dumm halten. Ich mag zwar ein bisschen überschwänglich sein, was mein Verhalten und meine Kleidung betrifft, Professor Lyall, aber ich bin kein Dummchen.«
»Ja, Mrs. Tunstell, das erkenne ich jetzt.« Und Lady Maccon wäre nicht so eng befreundet mit Ihnen, wenn Sie es wären.
»Ich glaube, Miss Dair war sehr aufgewühlt, sonst wäre sie in der Öffentlichkeit nicht so indiskret gewesen.«
»Ach, und was ist Ihre Entschuldigung?«
Ivy lachte. »Mir ist sehr wohl bewusst, dass mir meine liebste Alexia über gewisse Aspekte ihres Lebens nicht viel erzählt, Professor. Ihre Freundschaft mit Lord
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