Entflammte Nacht
Eine neue Bedrohung witternd, ließ der Hund von Madame Lefoux’ Hosenbein ab und wandte sich kläffend Alexia zu.
Alexia war sich nicht sicher, ob es ihr gefiel, als Exemplar bezeichnet zu werden. Und die Art und Weise, wie der Deutsche sie ansah, wirkte beinahe hungrig.
Mit der freien Hand packte sie ihren Sonnenschirm fester. »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun, junger Herr«, sagte sie zu dem Hund. »Meine Röcke haben für einen Abend schon genug durchgemacht.«
Der Hund schien sich die Sache anders zu überlegen und begann stattdessen mit allen vier Pfoten merkwürdig steif auf der Stelle auf- und abzuhopsen.
»Nur herein, nur herein! Das größte Wunder unserer Zeit, hier, auf meiner Türschwelle! Das ist – wie sagt man? – fantastisch, jawoll, fantastisch!«
Der kleine Mann unterbrach seine Begeisterung kurz, als er Floote bemerkte, der stumm und reglos neben der Tür stand.
»Und wer ist das?«
»Äh, das ist Mr. Floote, mein persönlicher Sekretär.« Alexia hörte rechtzeitig damit auf, bedrohlich den Hund anzustarren, um zu antworten, damit Floote es nicht tun musste.
Herr Lange-Wilsdorf ließ Alexias Hand los und ging langsam zu Floote hinüber. Der deutsche Gentleman trug immer noch sein Nachthemd, mitten auf der Straße, schien seinen Fauxpas jedoch nicht zu bemerken. Alexia kam zu dem Schluss, dass sie nicht das Recht hatte, über dieses Verhalten schockiert zu sein, da sie selbst vor Kurzem halb Frankreich ihre Unterhosen gezeigt hatte.
»Ist er das, ist er das wirklich? Nichts Böseres als das, ja? Sind Sie sicher, ja?« Herr Lange-Wilsdorf streckte einen gekrümmten Finger aus und zerrte damit Flootes Halsbinde und Hemdkragen nach unten, um den Hals nach Bissspuren zu untersuchen.
Knurrend hängte sich der Hund an Flootes Stiefel.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, Sir?« Floote sah ausgesprochen empört aus. Alexia vermochte nicht zu sagen, ob es der Mann oder der Hund war, der für ihn die größere Zumutung darstellte. Floote konnte weder zerknautschte Kragen noch feuchtes Schuhwerk ausstehen.
Nachdem der Wissenschaftler nichts Belastendes entdecken konnte, hörte er damit auf, Floote mit seinem vulgären Verhalten zu quälen, sondern ergriff erneut Alexias Hand und zerrte sie regelrecht in seine winzige Behausung. Mit einer Geste bedeutete er den anderen beiden, ihnen zu folgen, wobei er Floote noch einmal argwöhnisch von oben bis unten musterte. Der Hund eskortierte sie hinein.
»Nun, Sie müssen verstehen, unter normalen Umständen würde ich das nicht tun. Nicht, wenn Sie ein Mann wären und dann so spät nachts. Bei den Engländern weiß man nie. Aber ich nehme an, in diesem Fall … Obwohl ich über Sie ein paar fürchterliche, ja, fürchterliche Gerüchte gehört habe, junges Frollein.«
Der Deutsche hob das Kinn, um auf Alexia hinabzublicken, als wäre er eine Art missbilligende altjüngferliche Tante. Es missglückte kläglich, da er nicht nur nicht ihre Tante, sondern auch noch einen guten Kopf kleiner als Alexia war.
»Hörte, Sie haben einen Werwolf geheiratet, ja? Was für eine Sache für eine Außernatürliche, so etwas zu tun. Eine höchst unglückliche Wahl für ein weibliches Exemplar.«
»Ach, wirklich?«, gelang es Alexia, zwei Worte einzuwerfen, bevor Herr Lange-Wilsdorf ohne erkennbare Atempause fortfuhr und sie in ein unordentliches kleines Empfangszimmer scheuchte.
»Ja, nun, wir machen alle Fehler.«
»Sie haben ja keine Ahnung«, murmelte Alexia mit einem eigenartig schmerzhaften Gefühl des Verlustes.
Interessiert schlenderte Madame Lefoux durchs Zimmer und sah sich um, während Floote wie üblich seinen Posten an der Tür bezog.
Der Hund rollte sich erschöpft von seiner eigenen Raserei vor dem kalten Kamin zusammen; eine Haltung, die ihn noch mehr wie ein gewöhnliches Reinigungsutensil aussehen ließ, falls das überhaupt möglich war.
Neben der Tür hing ein Klingelzug, den der kleine Mann zuerst sanft und dann mit solchem Eifer betätigte, dass er beinahe daran herumschwang. »Sie wollen sicher Tee, da bin ich sicher. Engländer wollen immer Tee, ja? Setzen Sie sich, setzen Sie sich!«
Madame Lefoux und Alexia nahmen Platz, Floote nicht.
Geschäftig eilte ihr Gastgeber zu einem kleinen Beistelltisch und nahm eine winzige Dose aus der Schublade. »Schnupftabak?« Er ließ den Deckel aufschnappen und hielt die Dose offerierend in die Runde.
Alle lehnten ab. Der Wissenschaftler schien jedoch nicht gewillt zu sein, Flootes
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