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Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Titel: Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim Miské
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beiden jungen Frauen genau, die plötzlich verängstigt und zerbrechlich wirken. Nach kurzem Zögern reißt sie eine Seite aus ihrem Notizbuch, schreibt ihre Festnetz- und ihre Handynummer auf und reicht sie Aïcha:
    »Eine Ermittlung zu führen gleicht einem Wettlauf mit der Zeit. Entweder man überführt den Mörder innerhalb von drei Tagen, oder es dauert Monate, manchmal auch Jahre. Oder eine Ewigkeit.«
    Sie wirft Jean, der die ganze Zeit geschwiegen hat, einen Blick zu und fährt fort:
    »Wir beide haben viel Verständnis und sind ziemlich geduldig. Und wir vertrauen Leuten. In der kommenden Nacht werden wir nicht sehr viel schlafen. Nachts kann man hervorragend reden. Denken Sie nach, und rufen Sie mich an. Ich bin auch um drei Uhr morgens für Sie da. Ich weiß genau, dass Sie auch wollen, dass Laura ihren Frieden findet.«
    Sie reicht den beiden Frauen ihr Notizbuch, in dem sie eine leere Seite geöffnet hat.
    »Darf ich auch Ihre Nummern haben?«
    Die beiden Freundinnen tragen sie nacheinander ein. Bintou Aïdarra hat eine schöne, rundliche Schrift, Aïcha Bentalebs Buchstaben wirken viel eckiger. Sie nicken einander zum Abschied zu, und die beiden Schönheiten gehen ihrer Wege.
    Schweigen.
    »Was war das eben? Worauf hast du reagiert?«, erkundigt sich Rachel.
    »Sie haben ihre Brüder erwähnt. Und Moktar und Ruben. Das sind 75-Zorro-19.«
    »Wer?«
    »Die Rap-Formation des Viertels. Wenn ich mich recht erinnere, hatte sie vier Mitglieder. Zwei waren Moktar und Ruben, von denen die Frauen eben gesprochen haben. Und dann gehörten noch Alpha und Mourad dazu. Jede Wette, dass die beiden die älteren Brüder von Bintou und Aïcha sind. Inzwischen allerdings sind sie häufiger im salafistischen Gebetsraum zu finden. Wie Moktar übrigens auch.«
    »Willst du mir damit etwa sagen, dass Bintou und Aïcha salafistische Brüder haben? Seltsam. Irgendetwas stimmt doch da nicht. Was diesen Ruben angeht, habe ich, glaube ich, schon mal von ihm gehört. Wenn es der ist, den ich meine, dann gehört er einer neu gegründeten chassidischen Bewegung an, deren Name mir aber gerade nicht einfällt. Die Gruppierung ist in Tiznid in Marokko entstanden, sie hat sich von einer weißrussischen Bewegung abgespalten und hat in Brooklyn einen eigenen Rebbe .«
    »Einen Rebbe? «
    »Einen messianischen Religionsführer, wenn du so willst.«
    »Woher weißt du solche Dinge?«
    »Ich blättere manchmal am Kiosk die Tribune juive durch. Außerdem trinke ich ab und zu im koscheren Café in der Rue André-Danjon einen Kaffee. Dort treffen sich die Mamis, nachdem sie ihre Kinder zur Schule gebracht haben. Ich höre ihnen zu. Seit einiger Zeit ist häufiger von einem gewissen Ruben die Rede. Und dieser Moktar, ist das der, der an der Kreuzung an der Rue Petit predigt?«
    »Genau der. Ein früherer Freund deines Ruben. Wenn wir also genau nachrechnen, haben wir drei Salafisten, einen Chassiden und eine Familie, die den Zeugen Jehovas angehört. Ein wahres Wespennest! Aber weißt du was? Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal etwas Richtiges gegessen habe. Für ein Steak im Bœuf-Couronné würde ich jetzt meine Seele verkaufen. Wie sieht es bei dir aus?«
    Rachel steht auf und blickt auf ihre Uhr.
    »Halb sechs. Noch ein bisschen zu früh zum Essen, wir fahren zuerst im Bunker vorbei. Du bezahlst und nimmst die Quittung mit. Ich habe dieses Mal keine Lust auf die Spesenabrechnung. Vergiss nicht, hinten auf der Rechnung die Namen zu notieren.«
    »Okay, Boss. Übrigens, was machen wir mit der Info über diese neue Droge, von der Onur erzählt hat?«
    »Keine Ahnung. Wir haben im Augenblick keine Zeit, uns auch noch darum zu kümmern. Ich frage Gomes, ob er etwas darüber rauskriegen kann.«
    »Ja, ja, der gute Gomes. Und du machst dich über Léna und mich lustig!«
    »Mit dem Unterschied, dass ich noch nie mit ihm geschlafen habe und es auch nie tun werde.«
    »Dann ist es ja noch viel schlimmer. Du führst den armen Kerl an der Nase herum!«
    Rachel muss lachen.
    »Okay, es steht eins zu eins. Können wir jetzt gehen?«

7
    Ein paar Kilometer weiter südlich und Lichtjahre später kehrt Ahmed sanft von seiner Reise zurück. Er erkennt die Höhle seines Freundes wieder, die nackten Frauen an den Wänden, die Hardcore-Zeichnungen, die Fotos von Jimmy Hendrix. Im Zimmer ist es dämmrig. Er fühlt sich beinahe wohl. Al raucht und zeichnet. Vor ihm liegen mit Worten und Zeichnungen bedeckte A4-Bögen. Er signiert unten rechts,

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