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Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Titel: Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim Miské
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ordnet die Blätter und reicht sie Ahmed.
    Die Ballade vom Serienmörder (realistischer Song, illustriert)
    Die Frauen in der Metro,
    Wie laut sie alle lachen
    Ich werd’ des Lebens nicht froh
    Da muss man doch was machen.
    Mit Sex hab ich gar nichts am Hut
    Ich bin nur scharf auf Reinheit.
    Der Blick der Frau’n tut mir nicht gut
    Die Weiber treiben’s zu weit.
    Ich kann nichts dagegen tun
    Das Gefühl ist viel zu stark
    gegen dralle Damen bin ich nicht immun
    Ich muss sie töten, ich spür es bis ins Mark.
    Im Hinterhof, und eins, zwei, drei
    Ein Messer schnell zur Hand.
    Die Frau hält still. Rasch ist’s vorbei,
    Kein Schrei hallt von der Wand.
    Ich kann nichts dagegen tun
    Das Gefühl ist viel zu stark
    gegen dralle Damen bin ich nicht immun
    Ich muss sie töten, ich spür es bis ins Mark.
    Tief vergraben in den Taschen
    Sind Damenstrümpfe für die Balz
    Diese herrlich feinen Maschen
    Schling ich ihr langsam um den Hals.
    Ihr letzter Blick galt mir allein
    Und das gefiel mir gut
    Nun wandre ich im Abendschein
    Mit frischem, neuem Mut.
    Ich kann nichts dagegen tun
    Das Gefühl ist viel zu stark
    gegen dralle Damen bin ich nicht immun
    Ich muss sie töten, ich spür es bis ins Mark.
    Und die Moral von der Geschicht
    Auch Töten ist ein Leben.
    Lehrt die Philosophie es nicht?
    Serienmörder muss es geben.
    Die Randverzierungen sind realistisch im Stil alter Detektivgeschichten gehalten. Vor allem die vorletzte Zeichnung fasziniert Ahmed. Sie zeigt den Mörder von hinten. Er hat einen massigen Stiernacken und breite Schultern. Im Gegensatz zum Liedtext aber schaut das Opfer nicht den Mörder, sondern den Leser an. Also genau genommen ihn. Ahmed. Es ist genau der gleiche Blick wie in jeder Nacht. Auch die Schultern sind die gleichen. Ahmed beobachtet Al, der sich mit abwesendem Blick den soundsovielten Joint dreht. »Also gut«, denkt er. »Dann ist der Dicke auf dem Bild eben ein Heiler. Als ich herkam, war ich bis zur Halskrause geladen. Al hat sich davon beeinflussen lassen und sich den Frust von der Seele gezeichnet.« Erleichtert blickt er vom letzten Blatt auf.
    »Nicht schlecht, Alter. Ich wollte, ich könnte meine Macken so aufs Papier bringen wie du. Das würde im Kopf Platz für andere Dinge schaffen. Sex zum Beispiel. Ich glaube, ich habe seit fünf Jahren nicht mehr an Frauen gedacht. Ich habe sie seitdem höchstens am Rande wahrgenommen. Aber der Mord an Laura hat plötzlich alles wieder zurückgebracht. Diese Polizistin … Also, ich weiß nicht … Die hat jedenfalls was …«
    »Eine Polizistin? Yes man! Das ist doch schon mal was.«
    »Danke für deine Gastfreundschaft und die Joints, Alter. Hat gut getan. Ich komme bei Gelegenheit wieder.«
    »In drei Jahren?«
    »Oder in fünf. Vielleicht auch in zwei Wochen. Wichtig ist doch nur, dass ich komme.«
    Im Sommer wird es später dunkel. Ahmed geht langsam in nordöstliche Richtung. Die Irrwege durch Paris haben ihn wieder Kontakt zu sich selbst herstellen lassen. Er denkt an Dr. Germain. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, auf die Couch zurückzukehren und so lange zu reden, bis er endlich aussprechen könnte, was in jener Nacht in dem Möbellager passiert ist. Eigentlich ist eine Analyse ja auch nichts wirklich Schlechtes. Wenn er es recht bedenkt, ist sie sogar ganz witzig, obwohl er im Augenblick gerade nicht darüber lachen kann. Er erinnert sich noch genau an den letzten Satz, den er zu dem Arzt gesagt hat:
    »Wissen Sie, Herr Doktor, man muss den Frauen einen Orgasmus verschaffen.«
    »Muss man?«
    Die Entgegnung des Psychiaters hat ihn schlagartig verstummen lassen. Danach war es ihm ein Jahr lang unmöglich gewesen, auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Er hat seine eigenen Affären Revue passieren lassen. Immer der gleiche Ablauf: Eine Frau bemerkt ihn und beginnt, sich für ihn zu interessieren. Er selbst stellt sich nicht die Frage, ob auch sie ihm gefällt. Meistens ist die Frau hübsch, und er profitiert von diesem Glücksfall, weil ihm die Begabung zum Anbaggern ohnehin fehlt. Er nimmt sich vor, sie in jeglicher Hinsicht zu befriedigen. Das geht oft so weit, dass er sich selbst dabei vollkommen außer Acht lässt und nach einiger Zeit keine Ahnung mehr hat, wer er ist und was er vom Leben erwartet. Die Frau hat es irgendwann satt, ihre Zeit mit einem völlig konturlosen Wesen zu verbringen, und geht, ohne sich zu fragen, warum sie sich ausgerechnet für einen derart langweiligen Kerl interessiert hat. Aber das muss schließlich

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