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Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Titel: Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim Miské
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wissen: Außer uns weiß doch niemand von dieser Unterhaltung zwischen Ihnen und Laura, oder?«
    Ahmed schluckt und atmet tief durch. Er sieht Jean an.
    »Schon gut, kein Problem. Ich weiß, dass Sie diese Frage stellen müssen. Nein, niemand sonst weiß Bescheid. Weder Monsieur Paul, den ich heute Morgen gesehen habe, noch Sam oder mein Cousin Mohamed, der heute Morgen aus Bordeaux gekommen ist, um hier seine Ferien zu verbringen. Was Laura betrifft … es ist durchaus möglich, dass sie mit Bintou oder Aïcha darüber gesprochen hat. Aber ehrlich gesagt glaube ich es nicht. Sie neigte eher dazu, die beiden zu beschützen, als von ihnen beschützt zu werden.«
    Jetzt übernimmt Rachel.
    »Sam? Dabei fällt mir ein, dass Sam uns von Ihrem Besuch heute Morgen erzählt hat …«
    »Ja klar. Wahrscheinlich hat er durchblicken lassen, dass er mich für verrückt genug hält, Laura zu töten … Es war der schrecklichste Haarschnitt meines Lebens. Er wuselte mit seinem Rasiermesser um mich herum und versuchte mich davon zu überzeugen, dass ich der Mörder sein könnte. Er hält sich für ziemlich schlau und mich für einen ausgemachten Idioten.«
    Jean hakt nach.
    »Sam wollte Sie als Mörder abstempeln? Aber warum?«
    »Ich weiß es nicht. Seit einigen Tagen spielen sich im Viertel merkwürdige Dinge ab. Schon vor Lauras Tod hatte ich so ein komisches Gefühl. Ich glaube, es gibt eine Verbindung zwischen Sam und Moktar. Das kommt Ihnen vielleicht seltsam vor, und Sie denken wahrscheinlich, dass ich nicht alle Tassen im Schrank habe, was ja durchaus stimmt … Ein Typ, der nichts anderes zu tun hat, als Dinge zu spüren.«
    »Moktar. 75-Zorro-19 …«
    »Moktar wurde nach seinem Zwangsaufenthalt zu Hause in seinem Dorf zum Salafisten. Seitdem scheint er auf Liebe und solche Dinge bewusst zu verzichten. Gestern bin ich ihm begegnet. Er hat mich beleidigt und gesagt, dass ich nach Bleichgesicht stinke. Es ist viele Jahre her, seit wir das letzte Mal miteinander geredet haben. Genau genommen seit Maison-Blanche.«
    »Maison-Blanche?«
    »Ja, wir waren gleichzeitig dort in Behandlung. Allerdings nicht aus den gleichen Gründen. Ich verstehe nicht, warum er mich jetzt, nach fünf Jahren, auf einmal beschimpft, obwohl wir uns mehrmals im Monat im Viertel begegnen, ohne je ein Wort zu wechseln. Ein paar Meter weiter habe ich mich umgedreht. Er war verschwunden, und ich bin ziemlich sicher, dass er zu Sam gegangen ist. Keine Ahnung, ob Ihnen das weiterhilft – schließlich geht es hier nur um die Instinkte eines Spinners.«
    Rachel blickt Jean an.
    »Das passt genau zu dem, was die Frauen erzählt haben. Die ehemaligen Mitglieder der Hip-Hop-Gruppe haben sich drei Tage vor dem Mord um ein Uhr morgens bei Sam getroffen.«
    Sie wendet sich an Ahmed. Ihr Lächeln ist verschwunden.
    »Sie haben nichts gehört. Sind wir uns da einig?«
    Ohne Ahmeds Antwort abzuwarten, steht Jean auf, um zu bezahlen. Auch Rachel schlängelt sich von der Bank, allerdings deutlich langsamer.
    »Darf ich Sie heute Abend von einer Telefonzelle aus anrufen? Wenn es Ihnen nichts ausmacht?«
    Rachel spürt, wie ihr das Blut in die Wangen schießt. Sie fühlt sich, als wäre sie siebzehn.
    »Nein, Ahmed, es macht mir nichts aus. Absolut nicht. Am besten, Sie rufen so gegen elf an, dann bin ich hoffentlich fertig. Hoffentlich! Wissen Sie, es geht mich ja nichts an, aber …«
    »Ja?«
    »Vielleicht sollten Sie sich doch in absehbarer Zeit dazu durchringen, ein Handy anzuschaffen.«

36
    Raymond steht in seinem Unterhemd da und ist so entgeistert wie nach jedem Mord. Die Leiche des Trödlers liegt in der leicht albernen Haltung vieler Mordopfer zu seinen Füßen. Das von sämtlichen Fingerabdrücken gereinigte Tatwerkzeug steckt in einer Plastiktüte, die sie in die Seine werfen wollen, ehe sie Paris in Richtung Guebwiller verlassen. Dort, auf dem Hof der Familie, sind sie in Sicherheit, bis sich alles beruhigt hat. Bis es ihrem alten Vater gelungen sein wird, Enkells Zorn zu beschwichtigen. Vor allem Raymond hat es eilig, abzureisen, denn sein Bruder hat ihm eine Godzwill-Pille versprochen, sobald sie im Elsass ankommen. Vorher nicht.
    Sie gehen durch das angelehnte Gitter. Auf der Straße hebt Francis den Kopf und atmet tief ein. Er verschluckt sich fast, als er den Stahl eines Pistolenlaufs im Nacken spürt. Das schlaffe Lächeln in Aïssa Benamers Stimme kann er fast hören.
    »Kommst du? Das Auto steht gleich hier um die Ecke.«
    Es ist immer schwierig,

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