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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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habe das mit eigenen Augen gesehen und gebe ehrlich zu, daß ich ihn ein wenig beneidet habe, denn ich wirkte unscheinbar und war der Sohn eines unscheinbaren Mannes. Damals aber galt das Wort: Odi te, qui bellus es, Sabelle 8 .«
    »Das hört sich kaum glaubhaft an«, sagte ich.
    »Ach ja«, rief Mr. Rankeillor, »so sieht die Jugend das Alter. Aber noch etwas trat bei Eurem Oheim hinzu, er war lebhaften Geistes und schien für die Zukunft gute Aussichten zu haben. Im Jahre 1715 aber kam es ihm in den Sinn, davonzulaufen und sich den Rebellen anzuschließen..Euer Vater eilte ihm nach, fand ihn in einem Straßengraben.und brachte ihn, wie man so sagt, multum gementum 9 zurück, zum Gaudium der ganzen Nachbarschaft.
    »Nun geschah es, daß die beiden jungen Burschen majora canamus 10 in Liebe entflammten, und zwar für dieselbe Dame.
    Mr. Ebenezer, der immer von allen bewunderte, beliebtere der beiden, der vom Glück begünstigte und verzogene Junge, war seines Sieges durchaus gewiß. Als er dann entdecken mußte, daß er sich getäuscht hatte, kreischte er vor Empörung auf wie ein beleidigter eitler Pfau. Das ganze Land erfuhr davon. Zeitweilig lag er krank zu Bett, und die ganze Familie umstand weinend sein Lager, zeitweilig ritt er von einem Gasthof zum anderen und klagte Hinz und Kunz laut jammernd sein Leid. Euer Vater, Mr. Balfour, war ein gutmütiger Mann, aber er war weich und viel zu schwach. Er nahm das Ganze zu ernst und eines Tages gab er seine Erwählte frei. Aber sie war nicht so töricht und von ihr werdet Ihr wohl Euren gesunden Menschenverstand geerbt haben, sie weigerte sich, sozusagen von einer Hand in die andere zu wandern. Beide Brüder lagen vor ihr auf den Knien, und zunächst fand der Zwist damit ein Ende, daß sie beiden die Tür wies. Das war im Monat August des Jahres, in dem ich die Schule verließ. Ach ja! Die Szene muß einer Posse geglichen haben.«
    Auch mir kam, während ich dem Advokaten lauschte, die ganze Geschichte reichlich albern vor, aber ich konnte nicht vergessen, daß mein Vater daran beteiligt gewesen war, daher sagte ich:
    »Mir will scheinen, Sir, als sei auch eine gewisse Tragik dabei gewesen.«
    »Aber nein, Mr. David, ganz und gar nicht«, versetzte der Advokat, »denn eine Tragödie setzt eine gewichtige strittige Angelegenheit voraus dignus vindice nodus 11 , aber hier ging es nur um die Launen eines jungen Narren, der zu sehr verwöhnt worden war und der nichts anderes brauchte als eine straffe Zucht; er mußte kurzgehalten werden. Aber Euer Vater war nicht dieser Ansicht, und das Ende vom Liede war, daß Euer Vater ein Zugeständnis nach dem anderen machte, während Euer Oheim in seiner sentimentalen Selbstsucht ein lautes Jammergeschrei vollführte, bis es zwischen beiden zu einer Art Abkommen kam, dessen schädliche Auswirkungen Ihr erst vor so kurzer Zeit zu spüren bekamt. Der eine der beiden erhielt die Dame seines Herzens, der andere den Grundbesitz. Nun, Mr. Balfour, wird im allgemeinen viel von Menschlichkeit und Barmherzigkeit geschwatzt,doch in Fragen dieser Art führt es gewiß zu glücklicheren Ergebnissen, wenn man seinen Advokaten um Rat ersucht und sich an das hält, was das Gesetz vorschreibt. Diese Donquichotterie Eures Vaters hatte auch, abgesehen von der Rechtsunwirksamkeit des Abkommens, eine Menge weiterer ungeheuerlicher Ungerechtigkeiten zur Folge. Euer Vater und Eure Mutter lebten und starben in großer Armut. Ihr selber mußtet in beschränkten Verhältnissen aufwachsen, und auch Eure Erziehung litt darunter. Was aber mußten indes die Pächter auf dem Grundbesitz der Shaws erdulden! Und ich könnte noch hinzufügen sofern mir das am Herzen gelegen hätte, was für ein Elend entstand daraus für Mr. Ebenezer!«
    »Mir will scheinen, das erstaunlichste an der ganzen Angelegenheit dürfte gewesen sein, daß sich ein Mensch so von Grund auf ändern konnte«, warf ich ein.
    »Richtig«, erwiderte Mr. Rankeillor, »und dennoch meine ich, es war natürlich genug. Er mußte sich klar sein, daß er in dieser Sache keine schöne Rolle gespielt hatte. Alle, die Bescheid wußten, zeigten ihm die kalte Schulter; wer die Vorgeschichte aber nicht kannte und jetzt erlebte, daß der eine Bruder spurlos von der Bildfläche verschwand und der andere den Besitzübernahme, schrie Mord und Totschlag. So wurde Mr. Ebenezer von jedem gemieden. Er gewann durch den Handel nichts als Reichtum; und so erklärt es sich, daß er den Reichtum sehr bald überschätzte.

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