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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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mir lustig zu und schnitt allerlei Grimassen, die der arme Kerl wohl für Beweise seiner Männlichkeit hielt.
    Indessen hatte mein Oheim den Brief, den der Junge gebracht hatte, gelesen und blickte nachdenklich vor sich hin. Dann sprang er unerwartet lebhaft auf und zog mich mit sich, in den entferntesten Winkel des Raumes.
    »Lies das«, sagte er und steckte mir den Brief zu.
    Er liegt jetzt, während ich meine Erinnerungen niederschreibe, vor mir.
    Im Gasthof Hawes, an der Fähre zu Queensferry.
    Sir, wir tanzen hier am Ankertau auf und nieder, und ich schicke den Schiffsjungen, damit Ihr Bescheid wißt. Falls Ihr noch Aufträge nach Übersee habt, ist heute die letzte Gelegenheit dazu, denn der Wind ist günstig, um aus der Bucht herauszukommen. Ich kann leider nicht verhehlen, daß ich mit Eurem Vertreter, Mr. Rankeillor, Ärger gehabt habe, und daraus können sich, wenn Ihr nicht rasch eingreift, einige Verluste ergeben. Ich habe eine Rechnung für Euch beigefügt und verbleibe, Sir,
    Euer gehorsamer und ergebener Diener Elias Hoseason
    »Du siehst daran, Davie«, versetzte mein Oheim, als er sah, daß ich zu Ende gelesen hatte, »ich habe mit besagtem Hoseason, dem Kapitän der Brigg ›Covenant of Dysart‹, ein geschäftliches Abkommen. Wenn wir beide, du und ich, jetzt zusammen mit dem Schiffsjungen hingehen, könnte ich den Kapitän im Gasthaus oder an Bord der ›Covenant‹ sprechen. Möglicherweise sind Papiere zu unterschreiben. Um keine Zeit zu verlieren, könnten wir dann gleichzeitig den Advokaten Rankeillor aufsuchen. Er steht bei dem größten Teil des Adels hierzulande in gutem Ansehen, übrigens ist er ein sehr achtbarer alter Mann. Deinen Vater hat er auch noch gekannt.«
    Unentschlossen stand ich da und überlegte eine kleine Weile. Schließlich würden der Oheim und ich zu einem Schiffslandeplatz gehen, an dem es zweifellos belebt war. Dort würde er nicht wagen, Gewalt gegen mich anzuwenden. Und die Anwesenheit des Schiffsjungen war auch ein gewisser Schutz für mich. Falls mein Oheim es nicht ehrlich gemeint hatte, würde ich, wenn wir erst dort waren, den Besuch bei dem Advokaten gewiß erzwingen können. Vielleicht wünschte ich mir auch insgeheim, das Meer und die Schiffe näher betrachten zu dürfen. Der Leser muß bedenken, daß ich mein ganzes bisheriges Leben im Inland verbracht und erst vor zwei Tagen einen Blick auf die Bucht hatte werfen können. Sie hatte vor mir gelegen wie ein bläulich schimmernder Spiegel, auf dem Schiffe, nicht größer als Spielzeug, hin und her geglitten waren. Das alles bestärkte mich darin, meinem Oheim nachzugeben.
    »Schön«, sagte ich, »gehen wir zum Hafenplatz.«
    Mein Oheim legte seinen Rock an, nahm seinen Hut und schnallte einen alten verrosteten Säbel um. Wir traten das Feuer im Kamin aus, verschlossen die Haustür und machten uns auf den Weg. Der Nordwestwind kam aus der kältesten Ecke und wehte uns direkt ins Gesicht. Es war wohl Juni, auf den Wiesen schimmerte es weiß von Gänseblümchen, und die Obstbäume standen in voller Blüte, aber nach unseren blauen Fingernägeln und schmerzenden Handgelenken zu urteilen, hätte es ebensogut Winter und das weiße Blütenmeer Dezemberreif sein können.
    Ohm Ebenezer trottete im Straßengraben entlang und schwankte wie ein alter Bauersmann, der müde vom Pflügen heimkehrt. Auf dem ganzen Weg sprach er kein einziges Wort. Ich war, wenn ich mich unterhalten wollte, auf den Schiffsjungen angewiesen. Er erzählte mir, sein Name sei Ransome und er fahre seit seinem neunten Lebensjahr zur See, wisse aber nicht anzugeben, wie alt er jetzt sei, denn er habe jedes Zeitgefühl verloren. Dann setzte er, trotz meiner Einwände, seine nackte Brust dem schneidenden Wind aus, um mir seine Tätowierungen zu zeigen; ich fürchtete, er würde sich dabei den Tod holen. Während er in seinen Erinnerungen kramte, fluchte er zuweilen lästerlich, aber mehr wie ein ungezogenes Kind und nicht wie ein erwachsener Mann. Auch rühmte er sich, viele tolle und üble Streiche begangen zu haben: heimliche Diebstähle, Verleumdungen und sogar Mordtaten. Alles, was er sagte, war in den Einzelheiten so wenig glaubwürdig und wurde von ihm so kindisch vorgebracht, daß ich eher geneigt war, ihn zu bemitleiden, als ihm Glauben zu schenken.
    Ich fragte ihn nach der Brigg, die er für das schönste Schiff erklärte, das je die Meere befahren habe, und dann nach Kapitän Hoseason, den er ebenso über den grünen Klee lobte; er nannte

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