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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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in der Mitte dieser Meerenge ist eine Insel, auf der ein paar Ruinen stehen. Am Südufer hat man für die Fähre eine Landungsbrücke gebaut. An ihrem Ende sah ich an der Landstraße das Gasthaus Hawes. Dahinter erstreckte sich ein hübscher Garten, in dem Stechpalmen und Hagedornbüsche wuchsen.
    Die Stadt Queensferry liegt westlich davon, und die Umgebung des Gasthauses wirkte um diese Tageszeit ziemlich verödet, denn das Fährboot war mit den Fahrgästen gerade nach Norden abgefahren. Neben der Landungsbrücke
    schaukelte ein Ruderboot; ein paar Matrosen schliefen auf den Bänken. Das war, wie mir Ransome sagte, das Beiboot der Brigg, das dort auf den Kapitän wartete. In einer Entfernung von etwa einer halben Meile hatte die »Covenant« als einziges Schiff geankert. Ransome zeigte sie mir. An Bord des Seglers, der zum Auslaufen klargemacht wurde, herrschte reges Leben und Treiben. Die Rahen wurden hochgehievt und schwankten hin und her. Da der Wind von dorther kam, konnte ich den Gesang der Matrosen beim Einziehen der Taue deutlich hören.
    Nach allem, was Ransome mir unterwegs erzählt hatte, betrachtete ich das Schiff voller Abscheu. Ich bedauerte all die armen Tröpfe, die darauf fahren mußten, aus tiefstem Herzen.
    Wir drei Wanderer hatten auf dem Kamm des Hügels haltgemacht. Nun ging ich quer über die Straße auf meinen Oheim zu und sagte: »Ich halte es für richtig, Sir, wenn ich Euch jetzt schon rundheraus erkläre, daß mich keine zehn Pferde dazu bringen werden, an Bord der ›Covenant‹ zu gehen.«
    Er schien aus einem Traum zu erwachen.
    »He«, sagte er, »was soll das?«
    Ich wiederholte, was ich gesagt hatte.
    »Schon recht«, erwiderte er, »du sollst deinen Willen haben. Aber weshalb stehen wir hier herum? Es ist hundekalt, und wenn ich nicht irre, sind sie schon dabei, die ›Covenant‹ zum Auslaufen fertigzumachen.«

VI. Was sich in der Bucht zutrug
    Sobald wir den Gasthof erreicht hatten, führte uns Ransome die Treppe hinauf in ein kleines Zimmer, in dem ein Bett stand und das von einem Kohlenfeuer so überheizt war wie eine Badestube.
    An einem Tisch dicht neben dem Kamin saß ein großer, würdig aussehender, dunkelhaariger Mann: Er hatte Papiere vor sich und schrieb. Trotz der fürchterlichen Hitze, die in dem Raum herrschte, trug er eine dicke Seemannsjacke, die bis zum Halse zugeknöpft war. Er hatte sich eine große Filzkappe über beide Ohren gezogen. Nie ist mir ein Mensch unter die Augen gekommen, nicht einmal ein Richter bei seiner Amtshandlung, der gelehrter, kühler und beherrschter gewirkt hätte als dieser Schiffskapitän.
    Er stand bei unserem Eintritt sofort auf, kam auf uns zu und reichte Ebenezer seine breite Hand.
    »Ich bin glücklich und stolz, Euch begrüßen zu dürfen, Mr. Balfour«, sagte er mit einer schönen tiefen Stimme. »Ich bin auch froh, daß Ihr noch rechtzeitig gekommen seid, denn der Wind ist günstig, und es ist gerade Gezeitenwechsel. Da werden wir wohl heute abend noch das Leuchtfeuer auf der Insel May sichten.«
    »Kapitän Hoseason«, erwiderte mein Oheim, »hier in Eurem Zimmer ist es reichlich warm.«
    »Ich habe mir das so angewöhnt, Mr. Balfour«, sagte der Schiffer. »Muß wohl zu kaltes Blut haben, denn ich friere von Natur immer leicht. Kein Pelzwerk, keine Wolle, nicht einmal ein heißer Grog können mir das Blut warm machen, wie man zu sagen pflegt. So geht es den meisten Menschen, die in den Tropen zu sehr gebraten wurden.«
    »Ja, Kapitän, keiner von uns kann aus seiner Haut heraus, daran läßt sich nun einmal nichts ändern«, erwiderte mein Oheim.
    Der Zufall wollte es, daß diese Angewohnheit des Kapitäns bei meinem künftigen Mißgeschick eine wesentliche Rolle spielen sollte, denn obwohl ich mir geschworen hatte, meinen Verwandten nicht aus den Augen zu lassen, war ich doch zu begierig, das Meer näher zu betrachten, und von der schlechten Luft in dem überheizten Raum wurde mir sterbensübel.
    Als Ohm Ebenezer mich daher aufforderte, hinauszugehen und mich draussen »zu vergnügen«, war ich töricht genug, ihm zu gehorchen.
    Ich ließ also die beiden allein. Als ich hinausging, saßen sie bei einer Flasche Wein über eine Unmenge Papiere gebeugt.
    Im Freien angelangt, überquerte ich die Landstraße und ging zum Strand hinunter. Bei dem schwachen Wind in der Bucht schlugen nur ganz kleine Wellen gegen das Ufer, kaum größer als auf einem der Binnenseen, die ich kannte. Doch der Tang war etwas Neues für mich; bald

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