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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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den Schiffer dabei immer nur Hissi-Hossi. Nach seiner Schilderung war der Kapitän ein Mann, der vor nichts auf Gottes weiter Welt oder im Himmel Angst hatte, einer, von dem die Leute sagten, der würde am Tage des Jüngsten Gerichts mit vollen Segeln angebraust kommen – ein roher, skrupelloser, brutaler Wüterich. Aber der Schiffsjunge hatte sich offenbar angewöhnt, solche Eigenschaften als seegerecht und männlich anzusehen. Nur einen Fehler gestand er seinem Abgott zu: »Er ist kein richtiger Seemann. Aber Mr. Shuan, der die Brigg in Wirklichkeit steuert, ist der tüchtigste Seemann in der ganzen Handelsmarine. Nur trinkt er. Ich sage Euch, ich weiß ein Lied davon zu singen.« Ransome streifte seinen Strumpf herunter und zeigte mir eine böse offene Wunde, die so grausig aussah, daß mir vor Entsetzen fast das Blut in den Adern erstarrte. »Das hat Mr. Shuan getan«, fügte er nicht ohne einen gewissen Stolz hinzu.
    »Was«, rief ich, »du läßt dir eine so grausame Behandlung gefallen? Du bist doch kein Sklave, mit dem man so unmenschlich verfahren kann.«
    »Nein«, erwiderte das arme Mondkalb und wurde mit einemmal ganz grimmig, »er wird schon sehen, was er davon hat. Sieh her ...« Und er zeigte mir einen langen Dolch, den er irgendwo gestohlen hatte.
    »Oh«, fuhr er fort, »er soll es nur noch einmal versuchen. Er soll es nur wagen, dann kann er was erleben. Umlegen werde ich ihn, kaltmachen werde ich ihn, und er ist nicht der erste«, bekräftigte er mit einem kläglichen garstigen Fluch.
    Ich habe nie im Leben einen Menschen so bemitleidet wie dieses arme, geistesschwache Geschöpf. Es dämmerte mir, daß die Brigg »Covenant« trotz ihres frommen Namens eine schwimmende Hölle sein mußte.
    »Hast du denn keine Freunde?« fragte ich.
    Er erzählte mir, sein Vater hätte irgendwo in einer Hafenstadt gelebt; ich habe vergessen, wie sie hieß. Dann hatte der Junge noch hinzugefügt: »Ein prächtiger Mann war er, aber er ist tot.«
    »Kannst du denn um alles in der Welt keine anständige Beschäftigung an Land finden?« fragte ich.
    »O nein«, sagte er, zwinkerte mir listig zu und glaubte, schlau auszusehen. »Dann müßte ich ja in eine Lehre gehen. Ich kenne aber Kniffe, die doppelt soviel einbringen, ja, die kenne ich.«
    Ich fragte ihn, welcher Beruf denn so schrecklich sein könne wie sein jetziger, bei dem sein Leben in ständiger Gefahr sei. Nicht nur Wind und Wetter bedrohten es, sondern die Grausamkeit der Menschen, denen er zu gehorchen hatte. Er gab zu, das sei die Wahrheit, fing aber dann wieder an, sein Leben auf See zu rühmen. Zum Beispiel erzählte er, wie es großen Spaß mache, mit der Tasche voll Geld an Land zu schlendern, den feinen Mann zu spielen, sich Äpfel zu kaufen, herumzuscharmutzieren und Leute, die er als Schlafmützen bezeichnete, durch forsches Auftreten zu verblüffen.
    »Ich hab es ja gar nicht so schlecht«, fuhr er fort. »Vielen ergeht es weit schlimmer als mir. Oje, wenn ich an die Zwanzigpfünder denke, da solltet Ihr mal sehen, wie die sich anstellen. Einen habe ich gekannt, so alt wie Ihr vielleicht – ihm kam ich alt vor –, obwohl er schon einen Bart hatte. Sobald wir aus der Flußmündung heraus und auf dem offenen Meer waren und die Droge nicht mehr wirkte, du meine Güte, hat der gejammert und angegeben. Den hab ich gehörig ausgelacht, das sag ich Euch. Dann gibt’s noch die Kleinen – im Vergleich zu mir sind sie klein –, die halte ich im Schwung, sage ich Euch. Wenn wir solches Kroppzeug an Bord haben, dann bekomme ich mein eigenes Tauende, um sie tüchtig durchzuprügeln.«
    So schwatzte er ununterbrochen weiter, bis mir endlich aufging, was er mit den Zwanzigpfündern gemeint hatte; das waren die unglücklichen Verbrecher, die nach Nordamerika in die Sklaverei geschickt wurden, und die »Kleinen«, das waren wohl die noch viel unglücklicheren, ganz unschuldigen Menschen, die, wie es hieß, geraubt und zu eigennützigen Zwecken oder aus purer Rachsucht verschleppt wurden.
    Gerade in diesem Augenblick gelangten wir auf den Berggipfel und sahen den Firth of Forth und den Hafenplatz zu unseren Füßen liegen.
    Die Bucht verengt sich, wie allgemein bekannt, an dieser Stelle zur Breite eines mittleren Flusses, der eine nach Norden führende, sehr bequeme Wasserstraße bildet und hier für einen Fährbootverkehr gut geeignet ist. Ihr oberer Teil ist ein an drei Seiten vom Land umgebener geschützter Hafen für Schiffe aller Arten und Größen. Genau

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