Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
dritten Pfiff wieder in Bewegung setzten.
Nachdem wir die Leute dort unten auf solche Weise beruhigt hatten, stiegen wir den Abhang hinunter und wurden am Hoftor – das Anwesen glich einem größeren Bauernhof – von einem stattlichen, gutaussehenden Manne, der etwas über fünfzig Jahre alt sein mochte, in Empfang genommen. Er rief Alan auf gälisch etwas zu.
»James Stuart«, erwiderte Alan, »ich bitte dich, sprich schottisch, denn hier ist ein junger Edelmann, der nichts anderes versteht. Er ist ein Gutsbesitzer aus dem Unterland und daheim ein Laird und Standesherr«, und er legte den Arm um mich. »Ich glaube aber, es ist besser für sein Wohlergehen, wenn sein Name jetzt nicht genannt wird.«
James of the Glens wandte sich mir für einen Augenblick zu und hieß mich höflich willkommen. Dann drehte er sich wieder um und sprach erregt auf Alan ein.
»Das ist ja ein schreckliches Unglück!« rief er. »Es wird dem Lande teuer zu stehen kommen.« Und er rang die Hände.
»Ach, Schnickschnack!« rief Alan. »Man muß die Feste feiern, wie sie fallen. Colin Roy ist tot, und dafür müssen wir dankbar sein.«
»Meiner Treu«, erwiderte James, »ich wünschte, er wäre wieder lebendig. Es ist gut und schön, vorher zu prahlen; aber nun ist es geschehen, Alan, und wer wird die Folgen tragen müssen? Er ist in Appin ermordet worden, bedenke das, Alan, und Appin wird dafür büßen. Ich habe aber eine Familie ...«
Während dieses Gespräch stattfand, sah ich mich um und beobachtete, was die Dienstleute taten. Einige von ihnen standen auf Leitern und durchstöberten das Strohdach des Wohnhauses und das der Stallungen nach Flinten, Schwertern und anderen Waffen, die von den untenstehenden in Empfang genommen wurden; sie eilten damit davon. Aus dem Klirren der Spaten an den Berghängen in der Ferne schoß ich, daß die Waffen dort irgendwo vergraben wurden. Obgleich alle Leute überaus eifrig beschäftigt waren, schien keinerlei Ordnung zu herrschen. Mehrere griffen nach derselben Büchse, stolperten mit den brennenden Fackeln durcheinander, und James unterbrach immer wieder sein Gespräch mit Alan, um den Dienstleuten Befehle zuzurufen, die aber offenbar von keinem verstanden und noch weniger beachtet wurden. Im Schein der Fackeln war zu erkennen, daß alle diese Menschen von einer Panik ergriffen, ziellos hin und her hasteten, und wenn auch niemand laut zu sprechen wagte, so klangen ihre Stimmen zugleich angstvoll und zornig.
Indessen war ein kleines Mädchen aus dem Haus gekommen, das einen Packen schleppte. Ich habe immer wieder lächeln müssen, wenn ich später daran dachte, daß Alan in diesem Augenblick wie durch einen Zauber aufzumerken schien.
»Was trägt das Kind?« fragte er.
»Wir bringen nur das Haus ein wenig in Ordnung, Alan«, erwiderte James in seiner etwas ängstlichen und verbindlichen Art. »Sie werden noch heute nacht ganz Appin mit Kerzen und Fackeln durchstöbern. Wir vergraben die paar Flinten und Schwerter in der Heide, und das hier in dem Bündel sind wohl deine französischen Kleider, die wir ja auch verschwinden lassen müssen.«
»Meine französischen Kleider verschwinden lassen? Sie etwa auch vergraben? Meiner Treu, das lasse ich nicht zu!«
Und er griff nach dem Bündel und eilte damit in die Scheune, vermutlich, um selber seine Auswahl zu treffen. Mich vertraute er inzwischen der Obhut seiner Verwandten an.
James nahm mich mit in die Küche; wir setzten uns an einen Tisch. Gastfreundlich lächelnd versuchte er, mit mir zu sprechen, doch dann übermannte ihn wieder die Sorge. Er runzelte die Stirn, kaute auf seinen Fingerspitzen, erinnerte sich meiner von Zeit zu Zeit und sagte dann ein paar freundliche Worte, lächelte etwas hilflos und verlor sich wieder in seine persönlichen Ängste. Seine Frau saß weinend am Feuer; das Gesicht hatte sie mit den Händen bedeckt. Der älteste Sohn kauerte am Boden und sichtete eine Menge Papiere; hin und wieder zündete er eines an den Flammen des Kaminfeuers an und ließ es bis auf den letzten Rest verbrennen. Während dieser ganzen Zeit kramte eine Magd mit gerötetem Gesicht, weinend und in blinder Hast, in Kästen und Truhen. Immer wieder steckte einer der Dienstleute den Kopf zur Tür herein und bat verwirrt um neue Anweisungen.
Schließlich litt es James nicht länger auf seinem Stuhl; er wandte sich an mich und bat, ich möchte entschuldigen, wenn er gegen jede Höflichkeitsregel auf und ab gehe.
»Ich bin ohnehin kein guter
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