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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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haben, aufs Spiel setzen, wollten wir jetzt hier verweilen. Nein, nein, wenn der Morgen graut, wird er dich und mich in einem sicheren Winkel des Ben-Alder-Gebirges vorfinden.«
    »Alan«, sagte ich, »es ist keine Frage des guten Willens. Mir versagen die Kräfte. Wenn ich könnte, würde ich Euch gehorchen. Aber so wahr ich lebe, ich kann nicht mehr weiter.«
    »Gut«, sagte Alan, »dann werde ich dich tragen.«
    Ich blickte ihn an, als hätte er einen Scherz gemacht. Aber nein, der kleine untersetzte Mann meinte es ernst. Seine feste Entschlossenheit beschämte mich.
    »Geht voran«, sagte ich, »ich folge Euch.«
    Er warf mir einen Blick zu, der zu sagen schien: »Recht so, David!« Und schon setzte er in großer Eile seinen Weg fort.
    Mit Einbruch der Nacht wurde es kühler und auch etwas dunkler, aber nicht wesentlich. Der Himmel war wolkenlos; es war ja noch Anfang Juli, und wir waren ziemlich weit nördlich. Mit scharfen Augen hätte man in den finstersten Nachtstunden lesen können, und ich habe manchen Winternachmittag erlebt, an dem es nicht viel heller war. Von dem niederfallenden Tau wurde das Erdreich im Moor wie von Regengüssen durchnäßt, und ich fühlte mich eine Weile etwas frischer.
    Als wir einmal haltmachten, um Atem zu schöpfen, und ich Zeit fand, mich richtig umzuschauen, packte mich plötzlich heller Zorn, daß ich mich in dieser schönen klaren Nacht, umgeben von seltsam geformten schlafenden Bergen und langsam verglimmenden Lagerfeuern, die hier und dort in der Ebene helle Flecke bildeten, von Schmerzen gepeinigt hinschleppen und Staub schlucke mußte wie der verächtlichste Wurm.
    Nach dem, was ich in Büchern gelesen hatte, meinte ich, daß nur die wenigsten Menschen, die eine Feder führen, jemals wirklich zu Tode erschöpft gewesen sind, sonst hätten sie diesen Zustand glaubwürdiger geschildert. Mein ganzes Leben, das vergangene und das zukünftige, war mir gleichgültig geworden; ja, ich war mir kaum noch bewußt, daß es einen jungen Burschen gab, der David Balfour hieß. Verzweifelt dachte ich nicht mehr an mich und mein Geschick, sondern nur an den nächsten Schritt vorwärts, den ich zu tun genötigt war, und an Alan, der schuld daran war, dachte ich in diesem Augenblick voller Haß. Alan hatte wahrhaftig den richtigen Beruf erwählt; denn es ist die Aufgabe der Soldaten, genauer: der Offiziere, Menschen zu zwingen, Dinge zu tun, deren Notwendigkeit sie nicht begreifen, ja, sich hinzulegen und zu sterben, weil ihnen keine andere Wahl bleibt. Ich hätte bestimmt einen guten Rekruten abgegeben, denn in diesen Stunden kam mir gar nicht in den Sinn, daß ich etwas anderes tun könnte, als Alan so lange zu folgen, bis ich tot umfiel.
    Endlich – nach Ewigkeiten, wie mir schien – graute der Tag. Wir hatten den gefährlichsten Teil unserer Flucht hinter uns, konnten, statt wie Tiere am Boden zu kriechen, aufrecht gehen wie Menschen. Aber du meine Güte, was für ein Anblick müssen wir gewesen sein! Wir schlichen gebückt dahin wie Greise, taumelten wie kleine Kinder, die noch nicht richtig laufen können, und waren so kreidebleich wie Leichen. Wir sprachen kein einziges Wort miteinander, sondern preßten die Lippen fest aufeinander und hielten den Blick starr geradeaus gerichtet. Jeder von uns hob den Fuß, setzte ihn schwerfällig auf den Boden, schwerfällig, plump, wie der starke Mann, der auf dem Jahrmarkt Gewichte stemmt. Dabei ließen die Moorhühner über uns ihr eintöniges Pieppiep ertönen, und im Osten wurde es langsam heller.
    Ich habe eben behauptet, Alan hätte sich genauso verhalten wie ich. Angesehen habe ich ihn aber nicht ein einziges Mal, denn ich hatte genug damit zu tun, mich auf den Beinen zu halten. Es versteht sich jedoch von selbst, daß er ebenso stumpfsinnig vor Mattigkeit gewesen sein und ebensowenig auf den Weg geachtet haben muß wie ich, sonst wären wir nicht wie Blinde in einen Hinterhalt getappt.
    Das kam so. Wir schleppten uns einen mit Heidekraut bewachsenen Hang hinunter, Alan voran, ich ein oder zwei Schritt hinter ihm her, wie ein fahrender Spielmann und sein Weib, als plötzlich vier zerlumpte Männer aus dem Gestrüpp heraussprangen. Im nächsten Augenblick lagen wir am Boden, jeder einen Dolch an der Gurgel.
    Ich glaube nicht, daß ich mir viel daraus gemacht habe. Das rauhe Zupacken wurde von den schmerzenden Gliedern kaum wahrgenommen. Ich war viel zu froh, nicht mehr vorwärts gehen zu müssen, als daß ich mich vor dem Dolch

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