Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
und niemand durfte etwas an dieser Ordnung ändern. Das Kochen war seine Liebhaberei, und selbst jetzt, während er uns begrüßte, überwachte er mit einem Auge das Zubereiten der Fleischspeise.
Anscheinend besuchte er zuweilen seine Gattin, auch ein oder zwei seiner vertrautesten Freunde, oder sie kamen im Schutze der Nacht zu ihm. Sonst aber lebte er die meiste Zeit ganz allein, verkehrte nur mit seinen Wachposten und mit den Knechten, die ihn im Käfig bedienten. Einer dieser Leute kam regelmäßig am frühen Morgen, um ihn zu rasieren und ihm die Neuigkeiten aus der Nachbarschaft zu erzählen, die anzuhören Cluny offenbar ganz versessen war. Er stellte endlose Fragen und war dabei so eifrig wie ein neugieriges Kind. Über einige solcher Berichte pflegte er unvernünftig laut und herzlich zu lachen, sogar noch Stunden, nachdem der Barbier gegangen war.
Natürlich mochte seinen Fragen eine bestimmte Absicht zugrunde liegen, denn obwohl er gezwungen war, in völliger Abgeschiedenheit zu leben und durch die Parlamentsakte seiner gesetzlichen Befugnisse enthoben worden war, übte er in seinem Clan noch eine patriarchalische Gerichtsbarkeit aus. In seinem Versteck wurden ihm Streitigkeiten vorgetragen, damit er sie schlichten sollte, und seine Landsleute, die auf den Obersten britischen Gerichtshof pfiffen, ließen Rache Rache sein und zahlten auf das bloße Wort dieses verfemten und gehetzten Mannes, was sie schuldeten. Wenn er zornig wurde, was häufig genug geschah, gab er Befehle oder drohte mit Strafen wie ein allmächtiger König. Seine Knechte zitterten vor ihm und duckten sich wie Kinder vor dem strengen Vater. Jedem, der eintrat, reichte er feierlich die Hand. Er und die Ankömmlinge grüßten militärisch, indem sie die Finger an die Kopfbedeckung legten.
Im ganzen genommen hatte ich hier gute Gelegenheit, den inneren Betrieb eines Hochland-Clans kennenzulernen, und noch dazu im Hause eines geächteten, ständig auf der Flucht befindlichen Clanhäuptlings.
Sein Land war erobert und besetzt worden. Überall suchten berittene Soldaten nach ihm und kamen zuweilen seinem jeweiligen Unterschlupf auf weniger als eine Meile nahe; aber keiner fand sich, der ihn verraten hätte, obwohl doch dem geringsten unter den zerlumpten Kerlen, die er beschimpfte und bedrohte, ein Vermögen gewinkt hätte, wäre Cluny den Häschern ausgeliefert worden.
An jenem ersten Tag unseres Kommens hatte Cluny, sobald das fette Fleischgericht fertig war, eigenhändig Zitrone daraufgeträufelt, denn über diesen Luxus verfügte er in ausreichenden Mengen. Dann rief er uns zu Tisch und forderte uns auf, tüchtig zuzulangen.
Das gebratene Fleisch, meinte er, sei genauso delikat wie das, was er Seiner Königlichen Hoheit vorgesetzt habe. Er rühmte die Beigabe von Zitronensaft, während wir froh waren, überhaupt etwas Eßbares zu bekommen, und uns nicht für die Feinheiten der Gewürze interessierten. Cluny meinte dann noch, im Jahre sechsundvierzig seien mehr Dragoner als Zitronen im Hochlande zu finden gewesen.
Ich weiß nicht, ob das Fleisch tatsächlich so besonders trefflich war, denn bei seinem Anblick wurde mir übel, und ich konnte nur sehr wenig davon essen. Indessen unterhielt uns Cluny die ganze Zeit mit Geschichten vom Besuch des Prinzen Karl in dem Käfig; er wiederholte wörtlich, was gesprochen worden war, und stand mehrfach auf, um uns die Plätze zu zeigen, die seine hohen Gäste eingenommen hatten. Ich entnahm seinem Bericht, daß der Prinz sich als ein liebenswürdiger, lebhafter junger Mann erwiesen haben mußte, wie es von einem Abkömmling höflicher Könige nicht anders zu erwarten gewesen war; aber die Weisheit Salomos hatte er offenbar nicht besessen. Ich erfuhr auch, daß er während seines Aufenthaltes im Käfig mehrfach betrunken gewesen war. Das Laster, das seitdem, wie es hieß, ein Wrack aus ihm gemacht hatte, mußte sich also bereits damals gezeigt haben.
Wir hatten unsere Mahlzeit kaum beendet, als Cluny ein altes, abgegriffenes, etwas fettiges Kartenspiel hervorholte, eines, wie man es wohl in schmierigen Kneipen bekommt. Seine Augen wurden ganz blank, als er uns vorschlug, ein Spielchen zu machen.
Das Kartenspielen gehörte nun aber zu den Dingen, die man mich wie das schlimmste Laster zu verabscheuen und zu meiden gelehrt hatte, denn mein Vater war der Ansicht gewesen, daß es einem Edelmann und einem Christen schlecht anstehe, das Geld, das für den Lebensunterhalt dienen sollte, der Gunst
Weitere Kostenlose Bücher