Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
waren, daß ein funkelnder Haufen Goldstücke, mindestens sechzig oder gar hundert Guineen, vor Alan auf dem Tisch lag. Es berührte mich seltsam genug, in dieser Höhle, die an einer Felswand klebte und von lebenden Bäumen gestützt wurde, einen solchen Reichtum zu sehen. Doch selbst in meiner Benommenheit meinte ich, Alan müsse sich auf gefährlichem Boden befinden, da er doch nichts anderes aufweisen konnte als eine grüne Börse mit fünf Pfund Sterling.
Am zweiten Tage hörte, wie mir schien, seine Glückssträhne auf. Gegen Mittag wurde ich, wie üblich, für die Mahlzeit geweckt und weigerte mich, wie üblich, etwas zu essen. Ich bekam einen Schluck Branntwein mit einer bitteren Arznei, die mir der Barbier verordnet hatte. Die Sonne schien zur offenen Tür des Käfigs herein, aber sie blendete mich und war nur lästig. Cluny saß am Tisch, das Kartenspiel in der Hand. Alan hatte sich zu mir heruntergebeugt, das Gesicht dicht über dem meinen, und es erschien mir in meinem Fieberwahn bestürzend groß. Er bat mich, ihm etwas Geld zu leihen.
»Wozu?« fragte ich.
»Ach, nur so«, sagte er.
»Wozu?« wiederholte ich. »Ich verstehe Euch nicht.«
»Aber, David, du wirst mir doch nicht eine Bitte abschlagen?«
Wenn ich bei klaren Sinnen gewesen wäre, hätte ich das wohl getan, aber ich hatte in dem Augenblick nur das eine Verlangen, sein Gesicht nicht mehr sehen zu müssen, und ich gab ihm den Rest meines Geldes.
Am Morgen des dritten Tages, den wir im Käfig verbrachten wir – waren jetzt genau achtundvierzig Stunden bei Cluny –, erwachte ich sehr erfrischt, wenn auch noch recht schwach und matt. Doch endlich sah ich, was um mich her vorging, wieder in den richtigen Größenverhältnissen. Ich sah die Dinge ungeschminkt und alltäglich, wie sie waren. Der Hunger meldete sich, und ich stand ohne Hilfe von meinem Lager auf. Sobald wir gefrühstückt hatte, trat ich zum Ausgang des Käfigs und ließ mich auf dem Gipfel über dem Walde nieder.
Der Tag war trüb, aber die Luft frisch und mild. Den ganzen Vormittag saß ich so da, in Nachdenken versunken, nur von Zeit zu Zeit aufschreckend,, wenn Clunys Kundschafter und Knechte mit Berichten oder mit Vorräten vorbeikamen, denn zu der Zeit drohte keine Gefahr; und er hielt sozusagen ungehindert Hof.
Als ich wieder in den Käfig zurückkehrte, hatten er und Alan die Karten beiseite gelegt und sprachen mit einem Knecht. Cluny drehte sich bei meinem Eintreten um und redete mich auf gälisch an.
»Ich verstehe kein Gälisch, Sir«, erwiderte ich.
Seit der Geschichte mit dem Kartenspiel schien alles, was ich sagte, Cluny zu ärgern.
»Euer Name hat mehr Sinn und Verstand als Ihr selber«, knurrte er wütend, »denn er ist reinstes Gälisch. Es handelt sich um folgendes: Meine Kundschafter berichten, im Süden sei alles frei vom Feinde. Die Frage ist nur, ob Ihr Euch kräftig genug fühlt, um aufbrechen zu können.«
Ich sah die Karten auf dem Tisch liegen, aber keine Goldstücke, dafür beschriebene Zettelchen, und zwar alle an dem Platz, wo Cluny gesessen hatte. Alan schien bedrückt und sehr mißmutig zu sein; ich ahnte nichts Gutes.
»Ich weiß nicht, ob ich schon so kräftig bin, wie es notwendig wäre«, antwortete ich, »und das wenige Geld, das wir beide bei uns haben, wird lange reichen müssen.«
Alan biß sich auf die Unterlippe und senkte verlegen den Blick.
Es entstand eine Pause. Schließlich sagte er: »David, ich habe das Geld im Spiel verloren, damit du es gleich weißt, das ist die nackte Wahrheit.«
»Auch mein Geld?« fragte ich.
»Auch dein Geld, David«, bestätigte Alan und stöhnte leise. »Du hättest es mir nicht geben sollen; wenn ich Karten in die Hand bekomme, verliere ich den Kopf.«
»Possen«, mischte sich Cluny ein, »das ist ja alles töricht. Es ist doch nur Spaß gewesen. Natürlich bekommst du dein Geld zurück, Alan, auch das doppelte, wenn du es gestattest. Für mich wäre es ein Unding, es zu behalten. Du kannst doch nicht annehmen, daß ich einen Edelmann in deiner Lage im Stich lassen werde. Das wäre ja ein Unding«, wiederholte er.
Und schon kramte er mit geröteten Wangen Goldstücke aus seiner Tasche.
»Wollt Ihr einen Augenblick mit mir vor die Tür gehen, Sir«, bat ich. Cluny erwiderte, es sei ihm recht, und folgte mir bereitwillig ins Freie, aber er sah rot und verstört aus.
»Nun, Sir« begann ich, »zuerst muß ich Eure Großzügigkeit loben ...«
»Dummheit, Unsinn«, schrie Cluny, »was hat
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