Entfuehrt von einem Prinzen
fand, ein so beeindruckendes Land musste von einem so umwerfenden Mann wie Ram regiert werden.
Vom Ufer aus winkten einige Menschen, die richtig aufgeregt waren, als sie die Jacht erkannten und sahen, wer an der Reling stand. Mia winkte einer Kinderschar zu, die auf einen Baum geklettert war, und freute sich, als die Kinder zurückwinkten. Wenn sie je darüber nachgedacht hatte, Ram für sich zu behalten und diesen Menschen vorzuenthalten, dann bedauerte sie das jetzt. Ram gehörte zu seinem Volk.
In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie ihn bald verlieren würde. Tapfer verbarg sie ihre tiefe Traurigkeit hinter einem fröhlichen Lächeln, das sie den Kindern schenkte. Hoffentlich ließe sich wenigstens ihre Freundschaft retten.
„Weinst du vor Glück?“, erkundigte er sich neckend, als er ihre Tränen bemerkte.
„Mir ist was ins Auge geflogen“, behauptete sie ungeduldig.
„Kann ich irgendwie helfen?“
„Zu spät.“ Energisch wandte sie den Kopf ab. Viel zu spät. Was passiert war, ließ sich nicht mehr aufhalten.
„Übrigens siehst du hinreißend aus.“ Bewundernd betrachtete Ram ihr Outfit.
„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben“, erwiderte sie betont fröhlich. Ram sah aber auch einfach fabelhaft aus in der schwarzen Seidentunika und der dazu passenden schwarzen Seidenhose, die seinen athletischen Körper wie eine Geliebte umschmeichelte. „Allerdings fehlt etwas, um deinen Look vollkommen zu machen“, erklärte Mia. „Dein Lächeln.“ So gedankenverloren hatte sie Ram noch nie erlebt.
„Und an dir stört mich auch nur eine Sache.“ Er warf einen sprechenden Blick auf die Augenklappe.
„Die bleibt.“
„Ist sie wirklich notwendig?“
Mia wusste, dass Ram die Augenklappe irritierend fand. Er betrachtete sie als Feind, der ihm etwas von Mia verbarg. „Ja. Außerdem soll deine Ankunft doch möglichst unauffällig sein, und ich halte mich im Hintergrund. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“
Ram schwieg. Vielleicht hatte er gehofft, dass Mia sich im Hintergrund halten würde.
Schon bald kam der Hafen in Sicht. Mia bemerkte sofort, dass hier nicht alles nach Plan lief – zumindest nicht nach Rams Plan. So eine riesige Menschenmenge hatte sie noch nie zuvor gesehen. Der gesamte Kai war ein einziges buntes Meer. Einige Menschen waren auf Laternenmasten geklettert, andere balancierten auf Dächern. Jeder Quadratzentimeter war belegt. Eltern hatten sich ihre Kinder auf die Schultern gesetzt, damit auch die Kleinen das Einlaufen der Jacht verfolgen konnten.
„Wow!“ Begeistert hakte Mia sich bei Ram ein. „Das nenne ich einen Empfang.“
Ram hingegen wirkte überrascht und verärgert.
„Deine Ankunft muss sich ja wie ein Lauffeuer herumgesprochen haben“, rief Mia, als Jubel aufbrandete. „Sieh mal, da ist auch der Elefant, den ich dir immer besorgen sollte!“
Mit aller Macht versuchte sie, ihn aufzumuntern. Sie selbst fand es sehr aufregend, wie herzlich Ram von seinem Volk begrüßt wurde. Ram sah das offensichtlich ganz anders. Seine Miene verfinsterte sich zusehends. Plötzlich wurde Mia bewusst, welchen Eindruck das auf die jubelnden Menschen machen musste. Derjenige, der entgegen Rams ausdrücklichem Wunsch für diesen Empfang gesorgt hatte, konnte später zur Rechenschaft gezogen werden. Viel wichtiger war jetzt, dass Ram lächelte und sich für den herzlichen Empfang erkenntlich zeigte. Mia gab ihr Bestes. „Ich habe ja schon Elefanten gesehen, aber die trugen nicht so reich verzierte Schabracken.“
Leider stieß ihre Begeisterung auf taube Ohren. Inzwischen hatte man begonnen, die Jacht zu vertäuen, und ein offizielles Empfangskomitee stand bereit, an Bord zu gehen. Am Kai wartete eine Limousine mit verdunkelten Fenstern, in der Ram wohl ursprünglich abgeholt werden wollte. Daraus wird wohl nichts, dachte Mia. Er muss sich der Situation stellen. Wer mochte dem Maharadscha so in den Rücken gefallen sein?
Schade, dass er so wütend war. Sie selbst fand die Stimmung am Kai überwältigend. Auf Hörnern wurde ein Willkommensgruß gespielt, Glocken erklangen, die Menschen sangen und riefen alle durcheinander. Die Elefantenparade formierte sich, und den mächtigen Tieren wurde von Elefantenführern Luft zugefächelt. Einem einzigen Mann zu Ehren hatten sie sich reich mit Juwelen geschmückt. Eigentlich sind die Menschen dieses Landes die Juwelen, dachte Mia. Sie vergaß ihren Vorsatz, sich im Hintergrund zu halten und begann, der Menge begeistert zuzuwinken.
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