Entfuehrt von einem Prinzen
Elefanten trugen reich verzierten goldenen Kopfschmuck. Auch die Stoßzähne waren mit Goldringen dekoriert. Die Tiere boten einen erhabenen, majestätischen Anblick. Am liebsten hätte Mia ihrem Elefanten dankbar auf den grauen Rücken geklopft, doch so weit reichten ihre Arme nicht.
„So lässt sich der Heimweg vom Hafen aushalten, oder?“, rief Ram ihr augenzwinkernd zu.
„Oh ja. Es ist einfach traumhaft“, gab Mia begeistert zurück. Ein tiefes Glücksgefühl durchflutete sie, als sie beobachtete, wie entspannt Ram seinem Volk, das ihm offensichtlich sehr zugetan war, zuwinkte. Doch eine Frage trübte ihr Glück: Wenn man in ihr fälschlicherweise die neue Königin vermutete, was war dann aus der alten Königin geworden?
10. KAPITEL
Die Prozession war fabelhaft, aber auch anstrengend, denn sie dauerte mehrere Stunden. Zunächst bewegte sie sich langsam bergauf über eine breite, staubige Allee, die von Menschenmengen gesäumt war. Als sie sich einem riesigen Torbogen näherte, ging die Sonne bereits unter. Mia entdeckte eine magische, von Mauern umgebene Stadt, durch das Abendrot wurde den prächtigen Gebäuden ein rosa Schimmer verliehen. Die ganze Szenerie erschien ihr wie ein Märchen.
Erschöpft, aber immer noch aufgeregt, ließ Mia sich schließlich von Ram von ihrem schaukelnden Sessel auf den Boden zurückhelfen und eine weitläufige Marmortreppe hinaufbegleiten. „Das ist doch nicht nötig“, sagte sie leise, als die mit Turban, Schärpe und Krummschwert ausgestattete Sicherheitsgarde die goldenen Tore für sie öffnete. Doch Ram bestand darauf. Liebevoll legte er einen Arm um ihre Taille. „Glaubst du vielleicht, ich würde dich jetzt einfach stehen lassen? Was du vorhin am Hafen getan hast …“
„War nicht der Rede wert“, behauptete sie bescheiden.
„Ganz im Gegenteil.“ Zärtlich umfasste er ihr Gesicht. „Du bist eine unglaublich mutige Frau, Mia.“
„Wir haben beide unsere lichten Momente“, gab sie flapsig zurück. „Wer hätte gedacht, dass du wirklich mal auf einem Elefanten reiten würdest?“
Lachend ließ Ram sie wieder los. Seine Reaktion auf den überwältigenden Empfang hatte ihr allerdings zu denken gegeben. Sie beschloss, sich später bei ihm zu erkundigen, was denn eigentlich los gewesen war.
Die Bewohner von Ramprakesh waren ein stolzes Volk, und sie freuten sich sehr über Rams Rückkehr. Auch das Personal begrüßte ihn sehr herzlich. Ram führte Mia in eine Marmorhalle von unglaublichen Ausmaßen. In der Mitte befand sich ein Springbrunnen, der von drei Marmorkriegern auf edlen Hengsten gekrönt war. Die Hengste spien Fontänen.
„Das ist ja unbeschreiblich.“ Staunend blickte Mia um sich.
„Endlich kannst du dich davon überzeugen, wie bescheiden ich hier lebe.“ Ram lächelte ironisch.
Als sein vertrauter Humor wieder aufblitzte, war Mia fast versucht zu glauben, die Schatten der Vergangenheit lägen nun hinter ihnen, und Ram und sie könnten von nun an diese Idylle genießen. „Ich bin überwältigt von der Herzlichkeit, mit der die Menschen dich willkommen geheißen haben. Du musst dein Volk schrecklich vermisst haben.“
„Es sind wirklich ganz außergewöhnliche Menschen darunter“, bestätigte er vage.
„Und was ist mit den anderen?“ Mia fragte sofort nach.
„Es gibt da so gewisse Höflinge und Gefolgsleute, die …“
„Schon gut, Ram, du brauchst mir nichts zu erklären.“
„Aber da du nun einmal hier bist, solltest du auch Bescheid wissen.“ Nach einem prüfenden Blick zog er Mia außer Hörweite.
„Du meinst den alten Mann, der dachte, ich wäre die neue Königin.“
Mia hatte ins Schwarze getroffen. Rams Blick verfinsterte sich sofort. „Später“, sagte er nur kurz angebunden.
„Vielleicht solltest du mir lieber gleich erklären, was los ist, damit ich nicht in ein Fettnäpfchen trete. Was meinte der Mann?“
Rams warnenden Blick ignorierend, fuhr sie fort.
„Mir ist schon klar, dass ich nicht gerade zur Märchenprinzessin tauge …“
„Sei still!“
Rams scharfer Tonfall schockierte sie.
„Das hat nichts mit deinem Aussehen zu tun. Eigentlich hat es überhaupt nichts mit dir zu tun“, fügte er kühl hinzu, öffnete eine Tür und bat Mia herein. So leicht konnte und wollte sie sich nicht abspeisen lassen. „Bitte, Ram. Ich weiß, dass es Dinge in Ramprakesh gibt, in die ich mich nicht einmischen sollte.“
„Und es gibt Dinge, von denen du nichts verstehst. Mir wäre sehr geholfen, wenn du in Zukunft
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