Entfuehrt
»Es ist unmenschlich. Wie können sie das tun?«
Jake fuhr mit der Hand beruhigend über ihren Rücken. Er wollte sie wissen lassen, dass es ihm gut ging. Was auch immer das genau bedeutete. »Was dich nicht tötet, macht dich stärker. Wenn sie das nicht tun würden, wären wir nie zu den Männern geworden, die sie brauchen.«
»Niemand sollte gegen seinen Willen festgehalten werden«, sagte sie.
»Na ja, ehrlich gesagt: Auch dazu habe ich mich verpflichtet. Du nicht.« Gott, er war so ein verfluchter Heuchler. Das musste endlich aufhören. Es hätte schon aufhören müssen, bevor die Sache vorhin im Flur außer Kontrolle geriet.
»Hast du mir das erzählt, damit ich weiß, dass ich vielleicht nie zu dir durchdringen kann?«, fragte sie.
Er starrte sie an. Ihre grünen Augen hatten goldene und braune Punkte und betrachteten ihn ernst. Es war fast derselbe Ausdruck, den sie in der Nacht in Afrika gehabt hatte. »Ich habe dir das erzählt, damit du weißt, dass du bereits zu mir durchgedrungen bist.«
Er sah, wie ihre Augen feucht wurden, und fragte sich, ob es einen anderen Weg gab, ihr alles zu erzählen. Ob er einen anderen Plan fassen sollte, ob er ihr einfach vorschlagen sollte, gemeinsam wegzulaufen. Und wir schauen nie zurück. Na ja, das würde wahrscheinlich nicht allzu gut funktionieren.
Nein, er konnte niemanden belügen, den er lieb… Verdammt. Er setzte sich auf und zog die Knie an.
»Jake, was ist los?«
»Es gibt da noch etwas, das ich dir erzählen muss«, hörte er sich sagen.
Sie beobachtete ihn aufmerksam. Bestimmt glaubte sie, er wolle ihr jetzt von Steve und jener Nacht erzählen. Und wenn das reichen würde, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen, würde er es tun. Aber es gab so vieles, das zudem passieren musste. Und sie war schließlich jetzt bei ihm. In seinem Bett, seinem Leben – und mehr als nur ein bisschen in seinem Herzen.
Verdammt.
»Ich höre?« Sie stützte ihr Kinn in beide Hände und stellte die Ellbogen auf die Matratze. Die Waden hatte sie in der Luft gekreuzt. Fast hätte er nachgegeben und ihr stattdessen von Steve erzählt.
Aber nur fast.
Wenige Augenblicke nachdem sie vorhin sein Zimmer verlassen hatte, hatte er Clutchs Anruf entgegengenommen. Und dann hatte er sich auf die Suche nach ihr gemacht, weil er ihr erzählen wollte, dass Rafe in den vergangenen zwei Monaten zweimal auf amerikanischem Boden gewesen war. Und dass er jetzt auf dem Weg zum Flughafen war … Dass er überall hingehen konnte, es aber am wahrscheinlichsten war, dass er auf dem Weg zu ihr war. Aber als er sie in dem Vorraum fand, wo sie einer Panik nahe war, wusste er, dass es noch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen war.
Doch jetzt schien dieser Zeitpunkt gekommen zu sein.
»Sie haben den Mistkerl, der dir so sehr wehgetan hat, nie gefasst, Isabelle.« Er brachte es nicht fertig, Rafes Namen laut auszusprechen.
Sie starrte ihn ungläubig an. »Das stimmt nicht. Onkel Cal, meine Mutter … Sie haben mir geschworen, das FBI habe Rafe gefasst.«
»Sie haben dir das erzählt, von dem sie glaubten, du müsstest es zu dem Zeitpunkt hören.« Er brachte kaum die einzelnen Worte über die Lippen. »Ich kann es nicht länger von dir fernhalten. Ich könnte das hier nicht mit dir machen, solange du nicht die ganze Wahrheit kennst. Darüber, was ich für dich tun soll.«
Ihr Mund blieb offen. Sie stand hastig auf und wich vom Bett zurück. »Was genau sollst du für mich tun?«
»Ich soll auf dich aufpassen. Dich beschützen. Dir ein Gefühl von Sicherheit geben.«
»Sicherheit? Sicherheit? Ich weiß nicht mal, ob es mir je wieder möglich sein wird, mich sicher zu fühlen.«
»Ich weiß.« Er beobachtete sie. Sie atmete schnell, ihr Blick ging ins Leere, und sie bekam gleich entweder eine Panikattacke oder sie würde beginnen, um sich zu schlagen.
»Du weißt das? Was weißt du schon, zum Teufel? Wie es sich anfühlt, in den vergangenen zwei Monaten eine Lüge gelebt zu haben?« Sie legte kurz die Hände an ihre Kehle, ehe sie die Arme über ihren nackten Brüsten verschränkte. »Ich fühle mich so dumm.«
»Isabelle … Deine Mom und der Admiral … Sie wollten einfach, dass du dich sicher fühlst.«
»Und du hast dabei mitgemacht? Du hast zugelassen, dass sie mich so täuschen?« Sie verschluckte sich an ihrem Schluchzen. »Diese ganze Fürsorge war nur eine riesige Täuschung? Wieso? Um mich zu beschützen, ohne dass ich es bemerkte?«
»Nein, so ist es nicht.«
»Dann sag mir,
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