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Entfuehrt

Entfuehrt

Titel: Entfuehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Tyler
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Schuldirektors begegneten – und ihre erste Amtshandlung darin bestand, sich zu prügeln.
    Keiner seiner Brüder hatte es irgendwem erzählt. Nein, es war anders herausgekommen.
    Es war an diesem Tag passiert, als Schuldirektor Reilly ihn auf der Hintertreppe der Schule stellte. Jake spürte, wie die Furcht ihn erfasste. Das an sich war schon merkwürdig. Denn sonst fürchtete er keine Autoritäten. Niemand konnte ihm so sehr wehtun, wie ihm bereits wehgetan worden war.
    Trotzdem überlegte Jake kurz, ob er weglaufen sollte. Gestern war er schon weggelaufen, als man ihn zum Schularzt zitiert hatte. Die Schule hatte den Bezirksarzt für diejenigen Schüler bestellt, die ihre jährliche Untersuchung bis September noch nicht nachgewiesen hatten.
    Normalerweise musste Jake sich darum keine Sorgen machen. Aber dieses Jahr war es ihm nach einer besonders heftigen Misshandlung nicht möglich gewesen, zum Arzt zu gehen, zu dem ihn sein Stiefvater sonst immer brachte.
    Ein Arzt, der die Misshandlungen geflissentlich übersah.
    Der zuständige Offizier für Schulschwänzer kannte Jake und seine Treffpunkte nur zu gut, darum hatte Jake lieber in den ersten beiden Wochen keinen Tag geschwänzt. Und er wusste, dass es besser war, seinen Stiefvater nicht um eine Entschuldigung zu bitten.
    »Verbock das ja nicht an der Schule«, hatte Steve ihn unzählige Male gewarnt. Er war noch immer der Hausmeister an der Primarschule, während Jake inzwischen die Highschool im Gebäude nebenan besuchte.
    Und jetzt war er dort. Hinter dem Vorhang warteten der Schuldirektor und sein Stellvertreter, falls er einen Fluchtversuch wagte. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen, darum zog er sein T-Shirt aus und wartete, während der Arzt seine Ohren untersuchte. Er hörte auch sein Herz ab. Vielleicht hatte er ja Glück und musste sich nicht umdrehen.
    Der Arzt griff über Jakes Schulter und legte das Stethoskop auf seinen Rücken. Er erstarrte.
    »Dreh dich um«, sagte der Arzt, und seine Stimme war seltsam sanft und so völlig anders als noch vor einigen Minuten. Als Jake zögerte, wurde der Mann ungeduldig und drehte Jake eigenhändig um. Jakes Körper wand sich auf dem Tisch.
    Er hörte ein Keuchen. Jake wusste, es war nie gut, wenn ein erwachsener Mann so ein überraschtes Geräusch machte. Es war lange her, seit er das letzte Mal in den Spiegel geschaut hatte.
    Aber das Keuchen rief den Direktor auf den Plan, der den Vorhang beiseiteschob. »Heilige Scheiße. Heilige Mutter Gottes.«
    Jake lag stocksteif da. Er hielt die Augen geschlossen und betete einfach darum, dass es verdammt noch mal bald vorbei war.
    »Jake. Sieh mich an.« Direktor Reilly stand jetzt vor ihm. Seine Augen blickten ihn freundlich an. Zu freundlich. Himmel, er hasste das noch mehr als alles andere. »Wer hat dir das angetan?«
    Und Jake, der die Kunst der Lüge längst perfektioniert hatte, erklärte ihm ruhig: »Ich bin vom Fahrrad gefallen«, obwohl er genau wusste, dass es dieses Mal nicht funktionieren würde.
    »Ich muss das melden«, sagte der Arzt.
    »Lassen Sie mich erst seinen Vater hinzuziehen«, erwiderte Mr Reilly. In seinem Bemühen, Jake zu beschützen, beging der Schuldirektor einen folgenschweren Fehler.
    Jake erinnerte sich, wie er ein Würgen unterdrücken musste, während Reilly Dinge sagte, wie: Ein Gespräch unter Männern in Gegenwart eines Sozialarbeiters kann den Missbrauch zukünftig verhindern. Er sprach von einer Aggressionstherapie und einer Familientherapie. Schließlich sprach er auch davon, ihn in Pflege zu geben.
    Steve ist nicht meine verdammte Familie, hatte er einwenden wollen. Er hatte Reilly bitten wollen, lieber Chris’ Eltern zu benachrichtigen. Sie wussten davon. Vor allem Kenny, denn auch wenn er sich nichts mehr wünschte, als Steve damit zu konfrontieren, nachdem er vor zwei Wochen von dem Missbrauch erfahren hatte, wusste er doch, um wie vieles schlimmer sich die Dinge für Jake entwickeln mochten, wenn er diesem Drang nachgab. Das Band zwischen Chris’ Familie und Jake, das sich in nur wenigen Stunden nach der ersten Begegnung entwickelt hatte, war für Jake erschreckend und überraschend gewesen, obwohl er Überraschungen schon seit Langem hasste.
    Rückblickend verstand Jake, was Reilly versucht hatte. Tatsächlich war er Jahre, nachdem er die Schule verlassen hatte, noch einmal dorthin zurückgekehrt und hatte ihm gedankt, dass er es wenigstens versucht hatte. Er wusste, dass Reilly aufgrund der Ereignisse noch immer eine

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