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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Er legte ein schwarzes Steinchen links neben denStrich. »Emilie wurde als Geisel genommen. Das ist auch schlecht.«
    Zu dem ersten schwarzen Steinchen gesellte sich ein zweites.
    »Und was ist gut?« rief ich dazwischen. »Fügen Sie dem noch hinzu, daß die gesamte Polizei des Reiches, die reguläre wie die geheime, nicht auf Doktor Lind Jagd macht, sondern auf uns beide. Daß Seine Hoheit nach all den erlittenen Qualen schwerkrank ist, vielleicht schon dem Tod nahe. Daß Lind, wie Sie selbst sagten, keine Zeugen am Leben läßt.«
    Fandorin nickte und legte noch drei Steinchen dazu.
    »Und jetzt betrachten wir die Sache von der a-anderen Seite. Gut ist, daß wir den ›Orlow‹ haben und ihn schlimmstenfalls, wenn es gar keinen anderen Ausweg gibt, tauschen können. Erstens. Gut ist, daß Lind den G-Großteil seiner Bande verloren hat. Eigentlich fast alle: vier am Tag der Entführung, dann die gesamte Bande Stumpfs, und gestern noch fünf. Emilie hat gerufen: ›Es sind drei.‹ Also hat Lind nur noch zwei Leute, anfangs waren es fast zwei Dutzend. Zweitens. Und schließlich ist es mir gestern gelungen, mit Lind Kontakt aufzunehmen und ihm mitzuteilen, unter welchen Bedingungen ein Austausch stattfinden kann. Drittens.«
    Ich blickte auf die fünf schwarzen und die drei weißen Steinchen und fühlte keinen Zustrom an Zuversicht.
    »Und was haben wir davon? Wir wissen ja nicht einmal, wo wir ihn jetzt suchen sollen. Und selbst wenn wir es wüßten! Uns sind die Hände gebunden. Sobald wir uns in Moskau blicken lassen, werden wir verhaftet.«
    »Sie haben zwei Thesen vorgebracht, von denen die eine nicht stichhaltig und die andere unrichtig ist«, entgegnete Fandorin mit professoraler Miene. »Es ist unrichtig, daß wir inunserer B-Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Wie ich schon die Ehre hatte, Ihnen zu versichern, ist es überhaupt nicht schwierig, das Äußere zu verändern. Lind ist in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, nicht wir. Er hat eine Last am Hals – zwei Gefangene: ein krankes Kind und eine Frau von recht resolutem Charakter. Er wird nicht wagen, die beiden zu töten, denn er kennt mich gut g-genug, um zu wissen, daß ich mich nicht betrügen lasse. Übrigens ist das noch ein Plus für uns.« Er legte ein viertes weißes Steinchen hin. »Und was Ihre erste These betrifft, so ist sie nicht stichhaltig, und zwar aus einem sehr einfachen Grund: Wir werden Lind nicht suchen, denn der Hafer geht nicht zum Pferd. Lind wird uns ausfindig machen.«
    Oh, wie mich diese Kaltblütigkeit und dieser belehrende Ton zur Weißglut brachten! Aber ich bemühte mich, die Contenance zu bewahren.
    »Dürfte ich erfahren, warum Lind uns suchen sollte? Und vor allem – wie?«
    »Jetzt haben Sie Ihre zwei Thesen durch zwei Fragen ersetzt.« Er griente unerträglich. »Mit Ihrer Erlaubnis antworte ich auf die erste. Wir befinden uns mit dem D-Doktor in einer klassischen Handelssituation. Es gibt die Ware, und es gibt den Käufer. Genauer, es gibt zwei Käufer, und jeder hat seine Ware. Die Waren, die ich benötige und die Lind hat, sind: erstens der kleine Mika, zweitens Emilie, drittens seine eigene Haut. Jetzt meine Waren, auf die unser P-Partner erpicht ist. Erstens der zweihundertkarätige Brillant, ohne den Linds Moskauer Eskapade zu einem schmählichen Fiasko geriete, und das ist der verehrte Doktor nicht gewöhnt. Und zweitens mein Leben. Ich versichere Ihnen, Lind hat mit mir eine genauso lange Rechnung zu begleichen wie ich mit ihm. So daß wir uns schon handelseinig werden.«
    Dabei machte er ein Gesicht, als ginge es nicht um die Auseinandersetzung mit dem gefährlichsten Verbrecher der Gegenwart, sondern um ein spannendes Abenteuer oder eine Partie Wint. Ich habe Wichtigtuerei nie gemocht, schon gar nicht in ernsten Dingen, und Fandorins Prahlerei fand ich abgeschmackt.
    »Nun zu Ihrer zweiten Frage«, fuhr er fort, ohne meine gerunzelten Brauen zu beachten. »Wie Lind uns sucht? Nun, das ist ei-einfach. Heute abend studieren wir beide die Anzeigen und privaten Mitteilungen in allen Moskauer Zeitungen. Da finden wir ganz bestimmt etwas Interessantes. Sie glauben mir nicht? Ich bin b-bereit zu wetten, obwohl ich das für gewöhnlich nicht tue.«
    »Wetten?« fragte ich wütend, von seiner Aufschneiderei endgültig um die Beherrschung gebracht. »Bitte sehr. Wenn Sie verlieren, stellen wir uns heute abend der Polizei.«
    Er lachte unbekümmert.
    »Und wenn ich gewinne, schneiden Sie sich Ihren berühmten

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