Entführung des Großfürsten
Öffentlichkeit. Banville würde seinen Namen nennen, und dann würde der Großfürst nicht mehr sein Inkognito wahren können.
Foma Anikejewitsch trat vor, aber Colombina war schneller. Sie lief zu Mylord und verpaßte ihm – eins, zwei, drei, vier – eine ganze Serie von Backpfeifen, die noch lauter klatschten als jene, die der Großfürst empfangen hatte. Banvilles Kopf flog von einer Seite zur anderen.
»Ich bin Fürst Glinski!« rief der Adjutant auf französisch und riß sich die Maske herunter. Er war sehr schön in diesem Augenblick – kein Fräulein und kein Jüngling, sondern ein besonderes Wesen, ähnlich einem Engel auf alten italienischen Gemälden. »Mein Herr, Sie haben die Regeln unseres Klubs verletzt, dafür fordere ich von Ihnen Genugtuung!«
Banville nahm ebenfalls die Maske ab, und es war, als sähe ich ihn zum erstenmal. Feuriger Blick, scharfe Falten von den Nasenflügeln zu den blutleeren Lippen und tiefrote Wangen. Ein unheimlicheres Gesicht hatte ich nie zuvor gesehen. Wie hatte ich diesen Wurdalak 21 für einen harmlosen Kauz halten können!
»Ich bin Donald Neville Lambert, elfter Vicomte Banville. Fürst, Sie erhalten von mir Genugtuung. Und ich von Ihnen.«
Foma Anikejewitsch hatte dem Großfürsten den Umhang über die Schultern geworfen und zog ihn taktvoll am Ellbogen fort. Großartig! Er hatte selbst unter derart greulichen Umständen die Geistesgegenwart behalten. Ein Generalgouverneur durfte nicht einmal maskiert bei einer Forderung zum Duell zugegen sein. Denn ein Duell, das war nicht einfachein Skandal, sondern ein Verbrechen, dessen Unterbindung die heilige Pflicht der administrativen Macht war.
Seine Hoheit und Foma Anikejewitsch entfernten sich schleunigst. Mr. Carr, der die Halbmaske aufbehielt, stürzte ihnen hinterher.
Der Ordner winkte dem Klavierspieler, der schlug wieder in die Tasten, und ich hörte nicht, wie das Gespräch zwischen Banville und dem Fürsten endete. Sie verließen fast gleichzeitig den Saal, in Begleitung zweier Herren, von denen der eine einen Smoking trug, der andere ein Damenkleid und Handschuhe bis zum Ellbogen.
Die Handlungsweise des jungen Adjutanten hatte mich aufrichtig begeistert. Von wegen Tunte! Er opferte Karriere und Reputation, setzte sogar sein Leben aufs Spiel, und das alles, um seinen geliebten Generalgouverneur zu retten, der ihn nicht gerade gnädig behandelt hatte.
Der Skandal schien die Lustbarkeit erst richtig zu beleben. Nach dem Bauchtanz ertönten die Klänge eines heißblütigen Cancan, und sofort warfen drei Männer in Röcken kreischend die Beine hoch. Ich blickte zu Endlung, und wir erhoben uns gleichzeitig. Es war sinnlos, noch länger zu bleiben.
Die Nymphe sprang sogleich auf die Beine.
»Ja, ja, gehen wir«, flüsterte sie und hängte sich an meinen Arm. »Ich stehe in Flammen.«
In der Annahme, auf der Straße würde es ein leichtes sein, diese aufdringliche Person loszuwerden, strebte ich dem Ausgang zu, aber die Nymphe zog mich in die andere Richtung.
»Nicht doch, Dummerchen, nicht dorthin. Hier unten im Keller sind wunderbare Kammern! Du hast doch versprochen, es mir so zu besorgen, daß ich noch lange daran zurückdenke …«
Da riß mir die Geduld.
»Mein Herr, lassen Sie meinen Arm los«, sagte ich trocken. »Ich bin in Eile.«
»›Mein Herr‹?« keifte die Nymphe, als hätte ich sie mit einem Gassenausdruck beschimpft. Dann schrie sie durchdringend: »Herrschaften! Er hat mich ›Mein Herr‹ genannt! Er gehört nicht zu uns!«
Sie fuhr angeekelt zurück.
Jemand sagte: »Der Bart ist auch falsch!«
Ein kräftiger Herr in himmelblauem Cut zog an meinem Nero-Bart, und der verrutschte in verräterischer Weise.
»Du Lump, widerlicher Spion, das wirst du büßen!« Der energische Herr fletschte unschön die Zähne und holte aus, ich konnte gerade noch seiner wuchtigen Faust ausweichen.
»Hände weg!« brüllte Endlung. Er warf sich auf meinen Beleidiger und versetzte ihm nach den Regeln des englischen Boxkampfes einen Haken gegen die Kinnlade.
Der Herr im himmelblauen Cut ging zu Boden, aber da fielen sie schon von allen Seiten über uns her.
»Herrschaften, das sind ›Sittenwächter‹!« rief jemand. »Eine ganze Bande! Schlagt sie!«
Von allen Seiten trafen mich Fausthiebe und Fußtritte, ein Schlag in den Bauch benahm mir den Atem. Ich krümmte mich, und schon rissen sie mich zu Boden und ließen mich nicht wieder aufstehen.
Endlung leistete offenbar verzweifelten Widerstand, aber
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