Entfuehrung nach Gretna Green
Teufel.“
„Gütiger Himmel!“ Viola sprang so unvermittelt vom Bett, dass die Zofe erschrocken zurückfuhr. „Bringen Sie mir meinen blauen Morgenmantel! Und beeilen Sie sich, Sie dummes Ding! Wir haben keine Zeit zu verlieren!“
Innerhalb bemerkenswert kurzer Zeit war Viola angezogen. Schon auf der Treppe nach unten hörte sie die schrille Stimme der Witwe, ebenso wie einige andere Stimmen. Was war ge-schehen, dass Venetia hierhergeschickt worden war? Und wer hatte sie begleitet? Im selben Moment, in dem sie den Salon betrat, erspähte sie ihre Tochter unter den Anwesenden. Venetia, normalerweise selbst unter den schwierigsten Umständen elegant und sorgfältig gekleidet, sah sehr zerknittert und müde aus. Die ganze,Gesellschaft erschien mitgenommen, schmutzig und zerzaust.
„Mama! “Venetia rannte auf sie zu und warf ihr die Arme um den Hals.
Schon immer war Venetia ein liebevolles Kind gewesen, doch an diesem Tag lag fast so etwas wie Verzweiflung in der Art, wie sie Viola umarmte. „Venetia! Was tust du hier? Nicht, dass du mir nicht willkommen wärest, aber, du lieber Himmel, was ist passiert?“
Über Venetias Schulter hinweg fing Viola Gregors Blick ein. Er sah ihr ruhig in die Augen, aber ihr schoss dennoch der Gedanke durch den Kopf, dass sich etwas geändert hatte und anders war als sonst.
Etwas Wichtiges.
Hoffnung regte sich in Viola. Sie tätschelte Venetias Schulter. „Ruhig, ruhig. Du musst mir alles erzählen.“
„Das werde ich tun. Es ist eine lange Geschichte. Vorher lass mich aber meine Reisegefährten vorstellen. Das hier ist Miss Platt.“
Eine dünne Frau mit mausbraunen Haaren senkte nervös den Kopf.
„Und das hier sind Miss Higganbotham und Sir Henry Loudan.“ Eine außergewöhnlich schöne junge Frau, die unglücklicherweise mit Matsch bedeckt war, errötete und nickte zur Begrüßung. Der vornehme Gentleman neben ihr, der sich bei Violas Erscheinen erhoben hatte, verbeugte sich.
„Ravenscroft kennst du ja.“
Der junge Lord stand abseits von der Gruppe neben dem Fenster und verbeugte sich dort in ihrer Richtung.
Viola musterte ihn interessiert. Lord Ravenscroft erschien ihr mürrisch, seine normalerweise kunstvoll zerzausten Locken waren zwar durchaus zerzaust, aber viel weniger kunstvoll als sonst. Er sah aus, als wäre er tagelang nicht aus seinen Kleidern gekommen, denn der Knoten seiner Krawatte war verrutscht, seine Jacke zerknittert, seine Haare standen in alle Richtungen ab, und eines seiner Hosenbeine starrte vor Dreck.
Die dünne, knochige Frau räusperte sich und sagte mit unangenehm hoher Stimme: „Das hier ist ein interessantes Haus. Von außen sieht es düster aus, und innen ist es auch ziemlich dunkel. Ich kann mir nicht helfen, aber ich komme mir vor, als wären wir in eine Art Schauerroman geraten. Es könnte sein, dass morgen früh einer von uns tot auf wacht.“
Die Witwe war nicht gerade erfreut über diese Worte. Wie üblich war sie in Schwarz und Lila gekleidet, auf dem Kopf trug sie eine riesige, leuchtend rote Perücke, die mit einer Unmenge juwelenbesetzter Haarnadeln befestigt war. Nun schnaubte sie laut und begann: „Miss Flat ...“
„Es heißt Miss Platt “, widersprach die Frau kichernd.
Die Witwe zog ihre schmalen Augenbrauen zusammen. „Miss Flat, mir gefällt nicht, was Sie da sagen. Wenn Sie mein Haus nicht mögen, steht es Ihnen frei zu gehen. Dort drüben ist die Tür.“ Sie deutete auf die gegenüberliegende Wand.
Die ganze Gesellschaft betrachtete die Wand. Dort war keine Tür zu sehen, sondern nur ein Fenster, das ein Stockwerk über dem Garten lag.
Viola unterdrückte ein Grinsen, während sie im Stillen Miss Platts Urteil über das Haus zustimmte. Sie hätte sich kein bisschen gewundert, wenn sie in einem der weniger benutzten Zimmer einen Toten gefunden hätte, und außerdem eine Menge Indizien, die auf die Besitzerin des Hauses als Mörderin hindeuteten.
„Mylady“, stieß Miss Platt nervös hervor und betrachtete das Fenster mit weit aufgerissenen Augen. „Da ist keine Tür. Es ist ein ...“
„Venetia!“ Die Witwe sah ihre Enkelin an. „Habe ich dich eingeladen?“
„Nein. Aber du hast mir oft gesagt, ich würde dich nicht häufig genug besuchen.“
„Ich meinte aber nicht, dass du unangemeldet hier auftauchen und eine Horde Halunken mitbringen solltest.“
„Großmutter!“, rief Venetia mit funkelnden Augen. „Sei bitte nicht unhöflich.“
„Es ist nicht unhöflich, sich klar
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