Entfuehrung nach Gretna Green
auszudrücken.“ Venetias Großmutter schielte in Gregors Richtung. „Sie da! Sie sehen aus wie ein MacLean.“
Er verbeugte sich. „Ich bin Gregor MacLean.“
„Hm. Sind Sie der Taugenichts, der ständig mit meiner Venetia herumtändelt, aber nicht so anständig ist, sie zu heiraten, wie es ein rechtschaffener Mann täte?“
Venetia hielt sich entsetzt die Hände vor die Augen.
Zu Violas Überraschung zog ein leichtes Lächeln über Gregors Gesicht. Er ging zu der Witwe, nahm ihre gichtige Hand von der Armlehne des Stuhls und küsste sie galant. „Ich bin genau der MacLean, von dem Sie sprechen, und bin wohl auch ein Halunke und ein Schurke. Doch nicht, weil ich Ihre Enkelin nicht heiraten wollte. Ich habe sie gebeten, mich zu heiraten, aber sie lehnte ab.“
Viola schnappte nach Luft.
„Was?“, schrie Ravenscroft.
Miss Platt legte beide Hände auf ihr Herz. „Miss West! Davon haben Sie kein Wort erwähnt!“
Auch Miss Higganbotham und ihr Verehrer schienen verwirrt zu sein .
Während Viola sich fragte, wer Miss West sein mochte, ließ Venetia den Kopf hängen, bedeckte immer noch ihre Augen mit den Händen und stöhnte unterdrückt auf.
Die Witwe stampfte mit dem Fuß auf. „Warum will sie Sie nicht nehmen?“
„Weil ich mich bei meinem Antrag so ungeschickt angestellt habe, wie es nur möglich ist. Ich hoffe, ich kann Venetia überzeugen, mir noch eine Chance zu geben, denn ich weiß, dass wir hervorragend zusammenpassen.“
Violas Herz machte einen freudigen Sprung. Nie zuvor hatte sie gesehen, dass MacLean ihrer Tochter einen so begehrlichen Blick zuwarf. Irgendetwas hatte sich eindeutig verändert. Aber warum erwiderte Venetia seine Gefühle nicht?
Die Witwe musterte Gregor. „Ich bin höchst verwundert, dass Sie sich ein Nein von einem Mädchen bieten lassen.“ „Großmutter!“, rief Venetia und nahm die Hände von ihren Augen. „Bitte hör auf damit! Und beschimpfe Gregor nicht!“ „Wieso sollte ich nicht?“, erkundigte sich die Witwe spöttisch. „Jede Familie, die mit einem Wetterfluch belegt wurde, besteht meiner Meinung nach aus Halunken.“
„Und meiner Meinung nach ist jede Frau, die in der Lage war, meinen armen Urgroßvater fast in den Wahnsinn zu treiben, ein lockeres Ding“, erwiderte Gregor grinsend.
„Ha!“, stieß Venetias Großmutter fröhlich hervor, während sich ihre faltigen Wangen leicht röteten. „Er hat Ihnen also davon erzählt, bevor er ins Gras biss.“
„Sie sind in meiner Familie ein Mythos. Ihr Porträt hängt in der Eingangshalle immer noch gegenüber von seinem - sehr zum Ärger meiner seit Langem verstorbenen Urgroßmutter. Man erzählt sich, sie würde noch immer durch die Gänge spuken, mit den Zähnen knirschen und wehklagen, obwohl sie seit fünfzig Jahren tot ist.“
„So war Pauline nun mal. Sie weinte über dieses und klagte über jenes. Das erinnert mich an gewisse andere Leute, die ich kenne.“ Die Witwe schaute Viola geradewegs ins Gesicht.
Bevor Viola, die bereits den Mund geöffnet hatte, protestieren konnte, fuhr die Witwe schon fort: „Es mag sein, dass ich ab und zu die Beherrschung verliere, aber ich verschwende meine Zeit niemals mit Tränen. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, muss man es in Ordnung bringen. Diese verweichlichte Generation packt ihre Probleme nicht an. Sie tanzen nur um sie herum und raufen sich die Haare.“ Sie betrachtete Gregor eine Weile aufmerksam und ließ ihren Blick dabei sekundenlang auf seinen Beinen ruhen. „Sie dürfen sich neben mich setzen.“ „Sobald alle Damen sich gesetzt haben, werde ich das gerne tun“, erklärte Gregor mit einer höflichen Verbeugung.
Es fiel Venetia sichtlich schwer, sich zusammenzunehmen. „Wir haben alle eine lange und anstrengende Reise hinter uns, Großmutter. Ich glaube, am besten wäre es, wenn wir uns alle zurückziehen, um zu baden und uns ein wenig auszuruhen.“ Die Witwe zuckte die Achseln. „Mach, was du willst. Ich pflege tagsüber nicht zu ruhen. Habe es nie gemacht und werde es nie tun.“ Sie warf Viola einen strengen Blick zu. „Zeig den Leuten die Gästezimmer. Es ist mir egal, wo die anderen schlafen, aber gibt MacLean das Rosa Zimmer, wo der hübsche Prinz Charlie einst gewohnt hat. Und Venetia bekommt das Blaue Zimmer.“
Um Violas Lippen spielte ein Lächeln, als ihr Blick den der Witwe traf. Das Blaue Zimmer und das Rosa Zimmer lagen nebeneinander. In diesem Augenblick hätte Viola ihre reizbare Schwiegermutter am liebsten umarmt.
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