Entfuehrung nach Gretna Green
sie anzusehen, zuckte er die Achseln. „Das Knäblein hat dich belästigt.“
„Das hat er nicht getan“, widersprach Venetia seufzend. „Du solltest wirklich aufhören, Ravenscroft derart zu quälen.“
„Ich behandele ihn genau so, wie er es verdient.“ Gregor wandte sich dem Feuer zu, griff nach dem Schürhaken und stocherte in den Flammen herum. „Hast du vergessen, dass er sich erst heute Morgen heimlich mit dir davongemacht hat?“
„Ihm ist klar, dass er einen Fehler begangen hat.“
„Indem er sich hat erwischen lassen.“
„Indem er annahm, ich würde ihn so sehr mögen, dass ich einem solch verrückten Plan zustimme. Italien, ich bitte dich!“ „Das hat dich wirklich verärgert, wie nicht zu übersehen war.“
„Ganz besonders die Sache mit dem Wäschewaschen. Seltsamerweise würde es mir nicht viel ausmachen, diese Arbeit zu erledigen, vorausgesetzt man erwartet nicht von mir, dass ich es tue.“ Sie lächelte müde. „Falls das irgendeinen Sinn ergibt.“
„Ich nehme an, das tut es“, erklärte er und stellte den Schürhaken zurück in den Ständer. „Du würdest es aus Liebe tun, aber nicht weil man dir sagt, es sei deine Pflicht.“
Venetia starrte ihn erstaunt an. „Genau! Ich kann nicht glauben, dass du es so gut verstehst.“
„Warum nicht? Das ist kein sehr ungewöhnlicher Gedanke.“ „Weil ich in all den Jahren, die ich dich nun kenne, niemals das Wort Liebe aus deinem Mund gehört habe, außer wenn du erklärtest, dass du nicht daran glaubst.“
„Ich glaube daran. Jedenfalls, wenn es um andere Leute geht. “ Sie stellte sich ebenfalls vor das Feuer und streckte ihre Hände der Wärme entgegen. „Aber nicht, wenn es um dich geht?“ Mit einem schiefen Lächeln sah er sie an. „Vielleicht eines fernen Tages. Solange ich noch selber in der Lage bin, mir die Suppe vom Kinn zu wischen, sehe ich keinen Sinn darin.“ Leise lachend schüttelte sie den Kopf. „Du glaubst also, Liebe sei etwas für Altersschwache und Gebrechliche.“
„Und für diejenigen, die zu faul sind, selber für ihr Glück zu sorgen.“
„Das sehe ich völlig anders“, stellte sie achselzuckend fest. „Aber es ist schließlich nicht das erste Mal, dass wir verschiedener Meinung sind.“
Als er lachte, bildete sich um seine Augen ein Strahlenkranz von Fältchen. „Und ich hoffe, auch nicht das letzte Mal.“
„Du genießt es zu streiten?“
„Mit dir. Du hast mehr Verstand als die meisten Menschen, die ich kenne.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Kamin. „Jedenfalls meistens.“
Sie lächelte, und das Schweigen zwischen ihnen fühlte sich warm und angenehm an. Die Flammen knisterten munter, der Duft des brennenden Holzes vermischte sich mit dem würzigen Aroma der Speisen, die noch auf dem Tisch standen. Es war höchst angenehm, so neben Gregor vor dem Feuer zu stehen. Nach jenem Moment am Nachmittag, in dem sie schmerzliche ... Verlegenheit gespürt hatte. Oder war es Erkenntnis gewesen? Was auch immer sie in diesen Sekunden gefühlt hatte, es tat gut, dass die Dinge wieder zur Normalität zurückgekehrt waren.
„Ich frage mich, ob Ravenscroft jemals sein Buch schreiben wird“, bemerkte Gregor schließlich in nachdenklichem Ton.
„Und ich wüsste gern, ob wir in dem Buch Vorkommen werden“, erwiderte sie mit einem Augenzwinkern. „Ich glaube, ich würde eine ziemlich gute Heldin abgeben, aber du ... “ Sie legte den Kopf auf die Seite und betrachtete ihn nachdenklich. „Ich bin nicht sicher, ob du die Eigenschaften mitbringst, die ein Romanheld haben sollte.“
Seine Brauen gingen ruckartig in die Höhe. „Warum sagst du so etwas?“
„Du bist alles, nur kein Ritter in glänzender Rüstung. Von allen Menschen, die ich kenne, bist du derjenige, der sich als allerletzter aufmachen würde, um etwas für andere zu tun.“ Seine Augen funkelten, obwohl er gleichmütig die Achseln zuckte. „Ich bin wie der Teufel durch ein schreckliches Unwetter geritten, um dich zu retten, oder etwa nicht?“
„Ja, aber das ist ein höchst ungewöhnliches Verhalten für dich. Ein echter Ritter rettet jeden Tag eine Jungfrau vor dem Verderben.“
Gregor beugte sich herunter, bis sein Gesicht auf derselben Höhe war wie ihres. Das Feuer zeichnete eine Linie quer über sein Kinn und ließ seine Narbe silbrig aufleuchten, während seine im Schatten liegenden grünen Augen fast schwarz erschienen. „Vielleicht ist es so, dass ein echter Ritter sich selbst
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