Entfuehrung nach Gretna Green
retten muss, wenn es um die richtige Jungfrau geht.“
Venetias Herz geriet ins Stolpern. Warum um alles in der Welt sagte er so etwas zu ihr? Meinte er etwa ... In Gedanken nahm sie sich selbst bei den Schultern und schüttelte sich, damit sie wieder zu Verstand kam. Das hier ist Gregor. Er redet mit jeder Frau so.
Diese Erkenntnis beruhigte ihren rasenden Puls. Sie wandte sich ab und stieß mit atemloser Stimme hervor: „Meinst du, wir werden morgen abreisen können? Oder wird das Unwetter uns für einen weiteren Tag hier festhalten?“
Gregor zog die Brauen zusammen. Ihm war klar, dass er sie mit seiner Bemerkung verunsichert hatte und sie deshalb so hastig ein anderes Thema angeschnitten hatte. Er hatte nicht vorgehabt, so etwas zu ihr zu sagen, aber Venetia hatte so reizend ausgesehen, während das Feuer rote Lichter in ihren Haaren tanzen ließ und sie mit weichem Gesicht Ravenscroft hinterhersah. Er konnte zwar nicht begreifen, was sie an diesem Dummkopf fand, aber sie bot einen äußerst anziehenden Anblick, wenn sie den Idioten widerwillig anlächelte.
Niemals zuvor war ihm aufgefallen, dass sie ihren Kopf ein wenig senkte, bevor sie eine Frage stellte und dass ihre Lippen bebten, bevor sie anfing zu lachen. Ehrlich gesagt, fing er an, an Venetia viel mehr zu beobachten, als gut für ihn war. Aber war das wirklich so schlimm? Warum sollte er nicht ihre einzigartige Schönheit genießen?
Vielleicht war alles so seltsam, weil er sie kannte, seit sie fünf und er acht Jahre alt gewesen war. Sie waren beide Gäste auf einer langweiligen Geburtstagsparty zu Ehren des eingebildeten Sohnes eines Earls gewesen. Man hatte Gregor eingeschärft, den Knaben nicht zum Boxkampf herauszufordern, obwohl er genau das am liebsten getan hätte. Übel gelaunt hatte Gregor in einer Ecke herumgestanden, als plötzlich Venetia neben ihm aufgetaucht war.
Im Alter von fünf Jahren war sie bereits altklug und ebenso rebellisch wie er gewesen, wenn es darum ging, die Anweisungen der Erwachsenen zu ignorieren. Unter einem Berg brauner Locken funkelten ihre grauen Augen, und ihr hübsches weißes Kleid war zerrissen und schmutzig, weil sie in den Schlamm gefallen war. Als sich der Ehrengast der Party über ihr widerspenstiges Haar lustig machte, hob sie in aller Seelenruhe den Fuß und trat ihn derart anmutig und zielgenau vors Schienbein, dass Gregor sprachlos vor Bewunderung war. Vom ersten Moment an war zwischen ihnen eine tiefe und haltbare Freundschaft gewesen, der weder die Zeit noch die entschlossenen Bemühungen von Venetias Eltern etwas hatten anhaben können.
Neunundzwanzig Jahre später war Venetia immer noch die Vertraute und Gefährtin, die er immer schon gekannt hatte, nun aber sah er plötzlich auch die Frau in ihr, die Ravenscroft bezaubert hatte. Das war, gelinde gesagt, verblüffend.
Vielleicht kam sein Stimmungsumschwung daher, dass Venetia urplötzlich aus London verschwunden war und er Angst um sie gehabt hatte. Dadurch war ihm klar geworden, wie viel sie ihm bedeutete. Er lächelte sie an und freute sich, dass sie in Sicherheit und in seiner Nähe war. „Bist du so müde, dass du sofort schlafen gehen möchtest? Oder bist du noch munter genug, ein wenig zu bleiben und zu reden?“
Sie sah ihn überrascht an, eine zarte Röte überzog ihre Haut. „Ich denke, ein paar Minuten könnte ich noch bleiben.“ „Schön.“ Er hob die Hand und berührte eine Locke, die sich gelöst hatte und nun auf ihrer Schulter ruhte.
„Ganz gleich, wie viele Haarnadeln ich benutze, es bleibt nicht dort, wo ich es haben will“, erklärte sie und zog eine Grimasse.
Glatt und weich glitt ihr Haar zwischen seine Finger hindurch. „Es ist zu seidig, um von einer schlichten Nadel gehalten zu werden.“ Sein Ellenbogen auf ihrem Kissen hätte ihr Haar vielleicht an Ort und Stelle gehalten. Plötzlich sah er sie nackt vor sich, während ihr Haar sich rings um sie über das Bett ergoss. Das war sicher ein höchst erfreulicher Anblick.
Immer noch erfüllt von seinen sündigen Gedanken, schaute er Venetia schuldbewusst, aber auch voll Verlangen in die wunderschönen Augen, und die Luft um sie herum wurde schwer, als hätte sich die Hitze des Feuers ausgebreitet und würde den Raum zwischen ihnen ebenfalls zum Lodern bringen.
Plötzlich stand er nicht mehr in der respektvollen Entfernung von mindestens einer Armlänge von ihr entfernt und wusste nicht, wie es dazu gekommen war. Hatte sie sich auf ihn zubewegt? Er nahm an, dass
Weitere Kostenlose Bücher