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Entfuehrung nach Gretna Green

Titel: Entfuehrung nach Gretna Green Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Hawkins
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nichts im Magen hatte, ging zum Waschtisch, griff nach ihrem silbernen Kamm und begann, ihr langes Haar in Ordnung zu bringen.
    Während sich Venetia durch die letzte der von der Nacht zerzausten Strähnen kämpfte, wünschte sie sich, sie hätte ihren Handspiegel mitgebracht. Der Spiegel über dem Waschtisch war so fleckig und blind, dass sie kaum ihr Gesicht darin erkennen konnte, ganz zu schweigen den Zustand ihrer Haare.
    Seufzend machte sie sich an die mühevolle Aufgabe, ihre langen Locken hochzustecken. Gerade schob sie die letzte Nadel an ihren Platz, da hörte sie, wie die Tür direkt gegenüber geöffnet wurde.
    Vom Flur her drang Miss Platts Stimme in Venetias Zimmer. „Ja, Madam. Ich gehe sofort und frage nach, wieso niemand heißes Wasser gebracht hat.“
    Im Hintergrund beklagte sich Mrs. Bloom mit schriller Stimme ausführlich über die Zustände im Gasthof.
    Als sie schließlich eine Pause machte, warf Miss Platt mit ihrer atemlosen Stimme rasch ein: „Oh ja, meine liebe Mrs. Bloom. Es ist furchtbar ärgerlich. Ich werde sofort gehen und nicht ohne Wasser zurückkommen.“
    Venetia öffnete vorsichtig ihre Tür. Im selben Moment schloss Miss Platt gegenüber die Tür zu Mrs. Blooms Zimmer. Ihr Gesicht zeigte einen gequälten Ausdruck.
    „Miss Platt“, flüsterte Venetia.
    Miss Platt blieb stehen und schaute über ihre Schulter. Sie war wieder ganz in Grau gekleidet, und keinerlei Verzierung unterbrach die Eintönigkeit ihrer Erscheinung. „Miss We...“ „Pst!“ Venetia öffnete ihre Tür weiter und flüsterte: „Haben Sie ein bisschen Zeit zum Reden? Es dauert nur einen Moment.“ Nervös schaute Miss Platt zu Mrs. Blooms Tür hinüber. „Ich weiß nicht, ob ..."
    „Bitte!“
    Der dünnen Frau gelang ein unsicheres Lächeln, während sie in Venetias Zimmer trat.
    Sobald sie die Tür geschlossen hatte, nahm Venetia die Hände der anderen Frau und führte sie zum einzigen Stuhl im Raum. „Bitte setzen Sie sich. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht mehr Bequemlichkeit bieten kann, aber wir müssen das Beste aus den Gegebenheiten machen.“
    Miss Platt schüttelte den Kopf. „Oh nein, es kommt nicht infrage, dass ich auf dem einzigen Stuhl hier im Zimmer sitze!“ Es wäre Venetia lieber gewesen, wenn es für Miss Platt doch infrage gekommen wäre, sich zu setzen. Die Frau war viel größer als sie, und es war ein wenig anstrengend, die ganze Zeit zu ihrem hageren Gesicht aufzusehen. Das grelle Licht, welches durchs Fenster fiel, war nicht sehr vorteilhaft für Miss Platt. Ihre Haut war fahl, die Lippen sehr schmal und die Wimpern kaum vorhanden. Das Einzige, was ein wenig attraktiv an ihr wirkte, war die hellblaue Farbe ihrer Augen.
    Selbstverständlich bot das Äußere keinerlei Hinweis auf die Schönheit der Seele, wie Venetia aus zahllosen Vorträgen ihres Vaters wusste. Es hatte sich schon oft herausgestellt, dass sich hinter einem unansehnlichen Körper und einem hässlichen Gesicht eine reine Seele verbarg.
    Während sie Miss Platts farbloses Äußeres musterte, fiel es Venetia nicht schwer, sich vorzustellen, dass die Frau von innen heraus leuchtete. „Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich mich einmische, Miss Platt, aber Mrs. Bloom scheint mir ... vielmehr scheint sie mir nicht immer ... wie kommt es nur, dass Sie ausgerechnet für diese Frau arbeiten?“
    Miss Platt errötete so heftig, dass sie sogar noch unvorteilhafter als bisher aussah. „Das ist eine sehr komplizierte Geschichte.“
    So etwas hatte Venetia erwartet. „Ich wollte das Thema gestern Abend beim Essen nicht ansprechen, weil so viele andere Menschen anwesend waren, aber ich konnte nicht anders, als mich über Sie und Mrs. Bloom zu wundern.“
    Mit einem nervösen Blick zur Tür rang Miss Platt ihre Hände. „Mrs. Bloom mag es nicht, wenn ich darüber spreche.“ „Weil es sie in einem schlechten Licht erscheinen lässt?“ „Oh nein! Mrs. Bloom hat nichts Böses getan, aber sie fürchtet, der eine oder andere könnte ihre Rolle in der Geschichte falsch deuten.“
    Empörung stieg in Venetia auf. Ihre Vermutung hatte sich bestätigt; Miss Platt brauchte dringend jemanden, der sie unterstützte. „Bitte erzählen Sie mir, was geschehen ist! Zumindest wenn Sie den Wunsch haben, darüber zu sprechen.“
    „Da gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen. Es ... es hat mit meinem Bruder zu tun. Mit Bertrand.“ Als sie den Namen aussprach, verzogen sich Miss Platts dünne Lippen zu einen scheuen

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